Eine kurze Begegnung mit der tschechischen Lyrikerin Klára Hůrková
Wir verbrachten da zunächst ein paar Tage in Leipzig, zur Verleihung des Günter-Eich-Preises an Ror Wolf für dessen Hörspielwerk, die leider nur in Form einer kleinen Hommage an den Autor stattfinden konnte, da es diesem aus gesundheitlichen Gründen verwehrt war, die von der Medienstiftung Leipzig ausgelobte Würdigung persönlich in Empfang zu nehmen. Dennoch: das Publikum war zahlreich dort, und dank eines filmischen Porträts sowie einer per Videoaufzeichnung übermittelten Dankesrede des ausgezeichneten Schriftstellers und Bild-Collagisten war es beinahe so, als sei er doch zugegen gewesen.
Danach warteten einige Tage im Erzgebirge auf uns, die wir überwiegend bei kühlem und oftmals regnerischem Wetter zwischen Fichtelberg und Klínovec, dem Keilberg, verbrachten – mal auf deutscher, mal auf tschechischer Seite.Die bleibenden Eindrücke zu schildern (oder gar zu bebildern), die meine Frau und ich hierbei gewannen, in der Natur ebenso wie in Orten wie Annaberg, Jáchymov, Schwarzenberg, Boží Dar (Geburtsort von Anton Günther, Sänger und Heimatdichter des Erzgebirges), Ostrov oder der Grenzstadt Bärenstein / Vejprty – das würde einen Reiseblog erfordern, mit dem ich mich zweifellos überfordern würde.
Kurz berichten will ich aber von einer Begegnung, die auf so wundersame Weise zustande kam, dass sie zu einem der eindrücklichsten Ereignisse dieser Reise zählt: der Begegnung mit der tschechischen Malerin, Übersetzerin, Herausgeberin und Lyrikern Klára Hůrková.
Ich bitte um Verständnis, dass ich die Details zum Zustandekommen dieses Treffens mit der mir bis dahin persönlich nicht bekannten Kollegin (allein 2008 wurden einmal Texte von uns beiden in ein und derselben Anthologie veröffentlicht…) hier nicht ausbreite – sie wurzeln eher privat in der Familiengeschichte meiner ja tschechischen Gattin – der Zufall aber ließ es möglich werden, in der kleinen Gemeinde Abertamy, einer ehemaligen Bergbaustadt, in der Zinn, Silber und Uranerz gefördert wurde, denn Klára Hůrková, die seit vielen Jahren in Deutschland, in Aachen, lebt, hielt sich aus familiären Gründen dort zum selben Zeitpunkt auf wie wir eben ganz in der Nähe, wohl weniger als zehn Kilometer Luftlinie entfernt … Und ein guter, vielleicht lyrischer Geist oder dergleichen sorgte dafür, dass wir uns in Abertamy trafen…
Drei ihrer Publikationen habe ich von dieser Begegnung mitgebracht – von der Autorin jeweils versehen mit einer persönlichen Widmung.
Eine zweite, weit umfangreichere deutsch-tschechische Anthologie erschien 2014 im Verlag Dauphin; ihr Titel lautet Nad střechami světlo / Über den Dächern das Licht. Klára Hůrková hat hier jeweils zweiundzwanzig deutschsprachige und tschechische Autorinnen und Autoren ausgewählt und übersetzt – allein als Illustrationen dienen diesmal nicht Beispiele ihrer eigenen Malerei, sondern Fotografien von Lenka Mrázková, die gleichwohl auch als Lyrikerin in dem sorgfältig und klug edierten Band vertreten ist.
Unter den vielen lyrischen Stimmen, die hier im Gedicht oder in kurzer Prosa zu Wort kommen, finden sich einige, die man bereits in der ersten Anthologie hat vernehmen können – grundsätzlich ist das Spektrum jedoch größer, vielstimmiger geworden und öffnet so umso mehr den Dialog, den die Texte, gegliedert in zehn thematische Berührungen sinnfällig vorgebenden Abschnitten, miteinander eingehen – verbreitert die, wie es die Herausgeberin in ihrem Vorwort als eine der Intentionen dieses Buches nennt, poetische Brücke zwischen beiden Ländern, über die wir dank ihres Engagements nun alle gehen können.
Ich jedenfalls gehe diese Brücke bereits nach ersten Lektüre-Eindrücken äußerst gern und freue mich auf meine nächsten Schritte, die mich – ich muss es gestehen – von nur wenigen und fast ausschließlich deutschsprachigen Ausnahmen abgesehen (z. B. Marie T. Martin, Norbert Hummelt, Anton G. Leitner, Ludwig Steinherr, aber auch Sylva Fischerová) – hier wie dort viele mir bislang unbekannte Lyrikerinnen und Lyriker werden kennen lernen lassen.
Selber ist Klára Hůrková mit zwei ihrer inzwischen in mehreren Bänden erschienenen Gedichte vertreten – eines von ihnen, Das Aachener Oktogon, entstammt dabei ihrem 2012 in der Edition Thaleia publizierten Band Wende und Winkel / Změny a zákouti.
Der Titel signalisiert es bereits: die Gedichte erscheinen auch hier in deutscher und tschechischer Sprache – wobei mir die Autorin im Gespräch zu verstehen gab, dass sie längst ihre Gedichte zunächst in deutscher Sprache schreibt – und dann in ihre Muttersprache, ins Tschechische übersetzt.
Wende und Winkel / Změny a zákouti versammelt Gedichte, die Beobachtungen, Eindrücke, u. a. mitgebracht von Reisen in nahe und fernere Städte, durch Landschaften oder beim Betrachten von Gemälden großer Künstler wiedergeben, aber auch den Blick aufs Jetzt, aufs Diesseits, wie die Autorin einen Abschnitt der Sammlung überschreibt – es sind lyrische Betrachtungen und Bestandsaufnahmen in leisen, zumeist einfachen Bildern, die umso mehr eine ihnen ganz eigene poetische Magie entwickeln. Zwei kurze Beispiele:
Magritte zum Hören
Ein Hundebellen versteckt sich auf dem Dach
hinter dem Mond vor der SchiffsireneAm Himmel rauschen Meereswellen
mit lauten FlügelnEingefrorenes Licht
Der Dunst hebt sich
vom ermüdeten Wasser
Gestrige Gischt ist eingeschlafen
Auf dem Sand
liegt wie Schnee der MeeresschaumIm arktischen Licht
wandern Kinder zum Inselstrand
Völlig unaufdringlich korrespondieren mit dem leisen Ton solcher Texte die Bilder von Klára Hůrková, die diesen Gedichtband komplettieren – eine überzeugende Ergänzung mit hohem Eigenwert.
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