Ein Gedicht von Eyþór Árnason
Erstveröffentlicht in der Nr. 43 des Literaturmagazins Wortschau und nun auch in der Reihe Wortlaut Island der Online-Literaturzeitschrift Signaturen-Magazin, da soll das Gedicht des isländischen Schauspielers und Dichters Eyþór Árnason auch hier in meinen Wortspielen nicht fehlen. Entnommen haben wir, die Übersetzer-Komplizen Jón Thor Gíslason und ich, den Text dem Ljóðbréf Nr. 4 / Poesiebrief Nr. 4, hrsg. von Dagur Hjartarson und Ragnar Helgi Ólafsson im Tunglið forlag, Reykjavík 2021.
EIN SOMMERABEND
Ich komme aus dem Westen
und wenn ich über den Fjord schaue,
fällt mein Blick sofort auf die Berge,
ich verharre einen Moment, blicke hinüber
in eine andere Zeit.
Urgroßvater dengelt in der Schmiede die Sense,
wickelt sie in einen Leinenfetzen
und verschnürt sie mit Segelgarn.
Ich trete hinaus in die Sommersonne,
lutsche ein Stückchen Kandis, und Großvater
ruft von drinnen aus dem Ruß:
Pass auf, dass du dich nicht umbringst damit.
Und ich habe aufgepasst,
laufe immer noch mit ihr
herum, extrem scharf,
eingepackt in einem vergangenen Jahrhundert.
Wer mehr Gedichte aus Island lesen möchte, den verweise ich gerne auf inzwischen 10 Bände mit Lyrik isländischer Autorinnen und Autoren im ELIF Verlag, zuletzt nachtarbeit von Sjón, sowie noch einmal auf die Reihe Wortlaut Island wo inzwischen Gedichte von schätzungsweise 50 Schriftstellerinnen und Schriftstellern von der Insel im Nordmeer zu lesen sind.
Eyþór Árnason, geboren 1954, ist ein isländischer Schauspieler und Dichter. Aufgewachsen ist er auf einem Bauernhof im Norden Islands, gearbeitet hat er zunächst in herkömmlichen landwirtschaftlichen Berufen. 1979 zog er nach Reykjavík und begann ein Studium an der Schauspielschule Islands, das er im Mai 1983 abschloss. Von 1987 bis 2009 arbeitete er als Bühnenmeister bei Stöð 2, Islands größtem und ältestem privaten Fernsehsender, mit der Eröffnung der Musik- und Konferenzhalle Harpa im Jahr 2011 wurde er dort als Erster Bühnenmeister angestellt und arbeitet hier bis heute. Eyþór Árnason hat bislang sechs Gedichtbände veröffentlicht und verschiedene Auszeichnungen für sein Schreiben erhalten, u.a. den bedeutenden Tómas-Guðmundsson-Literaturpreis für seinen ersten Band im Jahr 2009, Hundgá úr annarri sveit / Hundegebell aus einer anderen Gegend.Die Gedichtsammlung Réttindabréf í byggingu skýjaborga / Berechtigungsschreiben zum Bau von Luftschlössern ist sein derzeit letztes Buch; es erschien 2021.