Im Nachhinein…

Eine Bitte um Nachsicht

Island - Reykjavík - Hafen Foto: Wolfgang Schiffer

Island – Reykjavík – Hafen Foto: Wolfgang Schiffer

Die ersten Nachfragen, ob es mir gut gehe, machen mir nur allzu deutlich, dass es höchste Zeit ist, ein Versäumnis nachzuholen – nämlich ein „Rauchzeichen“ zu senden, das mein bereits relativ langes Schweigen hier in den „Wortspielen“ erklärt. Und freimütig füge ich gleich zu Beginn sogar hinzu: Es ist gut möglich, dass es noch für eine ganze Weile andauern wird…

Der Grund ist einfach und möge alle, die besorgt nachgefragt haben, beruhigen, besänftigen gar: Es geht mir besonders gut! Beauftragt oder selbst gewählt, bin ich derzeit mit derart interessanten Arbeiten beschäftigt, dass ich sogar das Lesen hintenan stellen kann, oder ehrlicher gesagt, muss, denn ich komme kaum noch dazu, geschweige denn, darüber zu schreiben.

Zum Beauftragten, das deshalb aber nicht weniger packend ist, zählt zum einen die Mit-Herausgeberschaft an einer umfangreicheren Hörspiel-CD-Edition (mehr kann ich darüber zur Zeit noch nicht verraten), zum anderen die Recherche und kurze Auswertung, ob und wie Peter Weiss und dessen Werk in Island wahrgenommen wurden und noch sind. Anlass hierfür ist ein im Laufe dieses Jahres erscheinender Themenband zum 100ten Geburtstag des Schriftstellers der – das werden inzwischen alle meine Leserinnen und Leser wissen – von mir hoch geschätzten Literaturzeitschrift die horen.

Vor besondere Herausforderungen sehen wir – das sind ich und meine isländische Freundin Sigrún Valbergsdóttir, ohne die meine Recherche wohl recht ziellos verlaufen wäre und mit der zusammen ich die „Fundstellen“ auch übersetze – uns dabei gestellt, wenn wir ein Interview, das ein Isländer etwa zwei Jahre vor Peter Weiss´ Tod in Stockholm auf Schwedisch geführt und dann zur Veröffentlichung in Island in die dortige Landessprache übersetzt hat, nunmehr ins Deutsche übertragen müssen. Wie immer man dies später auch bewerten mag – man darf jetzt schon gespannt auf diese Ausgabe der Zeitschrift die horen sein, denn nicht nur dieses Gespräch, das vor allem um das Thema Der Autor und das Theater kreist, dürfte darin zu den Zeugnissen gehören, die man hierzulande zu Peter Weiss noch nie hat lesen können.

Frelsi Sjón

Selbst gewählt – ich habe es auf der 42. Station meiner Reise durch die isländische Poesie bereits angedeutet – sind Übersetzungen isländischer Lyrik aus mehreren zuletzt auf der Insel erschienenen Gedichtbänden. Frelsi / Freiheit, der neue, in Island breit, ja geradezu furios diskutierte Gedichtband von Linda Vilhjálmsdóttir, zählt dazu, außerdem gráspörvar og ígulker / haussperlinge und seeigel von Sjón, der mit seinem Roman Der Junge, den es nicht gab im letzten Jahr auch hier große Aufmerksamkeit erfuhr, und nicht zuletzt der Band Til hughreystingar þeim sem finna sig ekki í samtíma sínum / Ein Trost für diejenigen die sich in ihrer Gegenwart selbst nicht finden können von Ragnar Helgi Ólafsson, Autor, Filmemacher, Künstler mit Ausstellungen in der ganzen Welt.
til-hughreystingar-theim-sem-finna-sig-ekki-i-samtima-sinum
Für den genannten Gedichtband wurde er im Dezember letzten Jahres mit einem Preis ausgezeichnet, der nach dem bedeutenden isländischen Lyriker und Theaterautor Tómas Guðmundsson (1901 – 1983) benannt ist, dem Tómas- Guðmundsson-Literaturpreis für Poesie.

Die Übersetzungen einer Auswahl von Gedichten aus den genannten Bänden und einigen weiteren anderer Autoren entstehen, wie schon häufiger, in engster Zusammenarbeit mit meinem isländischen Malerfreund Jón Thor Gíslason. Ich freue mich schon jetzt auf die vielen Stunden, die wir hier im Ringen um die bestmöglichen Fassungen miteinander verbringen werden – ein Beispiel aus dieser Zusammenarbeit, ein Gedicht von Ragnar Helgi Ólafsson, sei aber heute schon einmal gezeigt.

1491 – 2013

Morgunhiminn yfir Bláfjöllunum minnir mig
skuggalega mikið á blámann og skýin yfir Feneyjum
árið 1491 (sjá verk endurreisnarmeisteranna). Vekur
áleitnar spurningar um höfundar- og sæmdarrétt.
Liturinn er næstum alveg sá sami og fjarvíddin er
fullkomin. það tók okkur hérna norður frá rétt fimm
hundruð ár að ná að kópera hana sómasamlega.

1491 – 2013

Der Morgenhimmel über den Blaubergen erinnert mich
unheimlich stark an die Bläue und die Wolken über Venedig
im Jahr 1491 (siehe die Werke des Renaissancemeisters).
Weckt aufdringliche Fragen zu Urheber- und Ehrenrecht.
Die Farbe ist beinahe ganz die gleiche und die Perspektive ist
vollkommen. Wir hier im Norden haben um die fünfhundert
Jahre gebraucht, um es einigermaßen anständig kopieren zu können.

Es sind vor allem die letzten drei Zeilen dieses Gedichts, die im übertragenen Sinn auch auf Jón Thor Gíslason und mich bei unserer Arbeit zutreffen – wir stehen erst am Anfang, aber der kreative Kitzel wächst von Tag zu Tag.

Bitte, liebe „Wortspiele“-Leserinnen und –Leser, gebt uns, gebt mir noch ein paar „Wortspiele“-freie-Tage mehr dafür! Danke!

Über Wolfgang Schiffer

Literatur (und alles, was ihr nahe ist) ist m. E. eines unserer wichtigsten Nahrungsmittel. Also zehre ich von ihr und versuche, sie zugleich zu nähren: als Autor, als Übersetzer, als Vermittler und nicht zuletzt als Hörer und Leser.
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7 Antworten zu Im Nachhinein…

  1. versspielerin schreibt:

    oh, das klingt ja wirklich erfüllend.
    ich finde es bewundernswert, dass du es dann schaffst, das „internet“ links liegen zu lassen. ich selbst verzettele mich derzeit viel zu sehr, bleibe hier hängen, dann wieder dort. dabei habe ich eigentlich auch so viel noch vor, was das schreiben angeht. 😉
    dennoch – schön von dir zu lesen!
    viel spaß und erfolg weiterhin bei deinem tun, liebe grüße und bis bald hoffentlich!
    diana

    • schifferw schreibt:

      Danke, liebe Diana! Und – so ganz leicht fällt mir das mit dem Internet ja auch nicht unbedingt! Aber mal nicht darin zu ackern, macht für eine Weile doch einen anderen Kopf!

  2. marinabuettner schreibt:

    Auf Gedichte von Sjón bin ich gespannt …

    • schifferw schreibt:

      Es gibt ja bereits welche, u.a. den im Kleinheinrich Verlag erschienenen Band „gesang des steinesammlers“. Auch meine im letzten Herbst in der Silver Horse Edition erschienene kleine Anthologie „Am Meer und anderswo“ enthält einige Texte von Sjón. Aber wir reichen Neueres gerne nach!

  3. Lutz Wetzig schreibt:

    Für derart spannende Projekte gönne auch ich Dir natürlich gern (und gespannt) alle Zeit der Welt, aber notgedrungen – de profundis Indiae – rufe ich heute zu Dir, mein lieber Wolfgang. Denn manchmal fehlt mir denn hier in Bangalore doch Zugang zu bestimmten isländischen Quellen. So müßte ich jetzt in Erfahrung bringen, ob die Zeile „Svo dregur knéfiðlan þungan trega á land“ aus Hannes Sigfússons Gedichtband Dymbilvaka schon einmal ins Deutsche übersetzt wurde, und wen sollte ich das fragen, wenn nicht Dich? Kannst Du mir Auskunft geben?
    Herzliche Grüße und Namaste
    Lutz

    • schifferw schreibt:

      Lieber Lutz, da freue ich mich doch a) von Dir zu hören und b) Dir helfen zu können! Die Zeile steht auf S. 79 unten des von mir mit-herausgegebenen Bandes „Bei betagten Schiffen – Islands Atomdichter“ und lautet: „Dann zieht die Bassgeige schweren Gram an Land.“. „Dymbilvaka“ ist für den Band komplett übersetzt worden – und zwar von Kristof Magnusson. Und bitte, erinnere Dich – auch Du hast an diesem Band kräftig mitgewirkt, wofür ich Dir heute noch dankbar bin! Herzlich, Wolfgang

      • Lutz Wetzig schreibt:

        Das ging ja schneller als jede Post! Herzlichen Dank für die prompte Auskunft, lieber Wolfgang! Wird sogleich verwertet, ganz ohne schweren Gram.
        Ein munteres Helau für die kommenden tollen Tage in die Domstadt

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