Ein Genie glaubt an Engel und Gespenster…
Der Bearbeiter und Regisseur Norbert Schaeffer hat diesem Genie, dessen Denken selbst vor der Gefahr des Wahnsinns nicht Halt machte, nun durch eine NDR-ORF Hörspiel-Koproduktion, die Ende April dieses Jahres in der „argon edition“ auch als Hörbuch erschienen ist, zu einer breiteren medialen Öffentlichkeit verholfen.
Basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück von Daniel Kehlmann, im September 2011 im Schauspielhaus Graz in der Regie von Anna Badora uraufgeführt, schickt er den Hörer auf eine (von Gödel eben selbst als möglich gehaltene) Zeitreise durch das Leben und Wirken des Wissenschaftlers und durch die Wirren des 20. Jahrhunderts. Gestützt auf ein herausragendes Sprecherensemble, allen voran Wolfram Berger als Protagonist, erleben wir Kurt Gödel von seiner Kindheit bis nach seinem Tod, sein ungelenkes Werben um seine spätere Frau Adele, seine Wissenschaftsgefährten und -kontrahenten, die allgemeine judenfeindliche Stimmung in der Wiener Gesellschaft (die dazu führte, auch in ihm noch über seinen Tod hinaus stets einen Juden, der er nicht war, zu sehen), den aufkeimenden Nationalsozialismus und baldigen Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, seine Ehe, seine Freundschaft mit Einstein usw. Vor allem aber erfahren wir Gödel in seiner bereits früh ausgeprägten Kontaktscheu, in seinem aus der Konsequenz, jedes ihn umgebende System infrage stellen zu müssen, erwachsenen Glauben an spirituelle, auch böse Mächte und in einem zunehmenden, sich zum Wahn steigernden Realitätsverlust, der schließlich zu seinem Hungertod führt.
Dass sich diese Zeitreise, die durchaus tragikomische Aspekte enthält, nicht in chronologischer Reihenfolge vollzieht, sondern in Sprüngen zwischen verschiedenen Zeiten, entspricht Gödels Überzeugung, dass es kein Vor- und Nachher gibt; die stete Präsenz aller Momente kommt bei Schaeffer zudem mit einer akustischen Präzision und Eleganz daher, dass das Werk neben dem intellektuellen auch ein großes Hörvergnügen ist. Hierzu trägt ebenfalls die von Norbert Schaeffer bei Martina Eisenreich in Auftrag gegebene Originalkomposition bei, in der das Wiener Flair ebenso mitschwingt wie der Schmäh und die nazistische Bedrohung hörbar wird durch den, so der Regisseur, „Schatten“ des Horst-Wessel-Liedes.
Zu Recht führt die Juni-Ausgabe der hr2-Hörbuchbestenliste diese Produktion auf dem 1. Platz; mit einer weiteren Platzierung auf der kommenden Bestenliste des Preises der deutschen Schallplattenkritik ist zu rechnen.
Hat dies auf Ich sag mal rebloggt und kommentierte:
Hörspiel über den kongenialen Kurt Gödel
Danke für den Tipp. Ich erinnere mich, vor Urzeiten einmal Hofstadters „Gödel, Escher, Bach“ gelesen zu haben. Grüße. Leo
Lieber Leo, Dank für den Hinweis auf Hofstadters Buch! Hätte es im Artikel erwähnen sollen, denn es war/ist ein faszinierendes Werk. Gruß zurück, Wolfgang
schön, auch diese ausgefalleneren publikationen rezensiert zu finden. manchmal bedaure ich, daß ich so überhaupt nix mit hörbüchern anfangen kann…. 😉
lg
fs
Freut mich – und vielleicht klappt´s ja mit dem einen oder anderen guten Hörbuch (besser noch Hörspiel) ja doch einmal… LG W.S.