Die Pappeln würden weiter stehn und wachsen

Die Reihe „Frühling“ im Signaturen-Magazin & Literatur Rheinland

Der Breyeller See, Nettetal
Foto © Wolfgang Schiffer

Die zu Ende gehende Woche hat mir zur Freude zwei Veröffentlichungen eigener Texte beschert. Zunächst zitiere ich hier gerne ein Gedicht, das die Online-Literaturzeitschrift Signaturen-Magazin in ihrer neu aufgelegten Reihe Frühling veröffentlicht hat. Für seine Erstveröffentlichung danke ich ausdrücklich dem Herausgeber des Signaturen-Magazins, Kristian Kühn.

Ich gehe 

nach Jahren den Uferweg entlang, der um den See 
der Kindheit führt, die Uferböschung 
und die Krakenarme ihrer Sträucher, 
die übers Wasser ragen, zu meiner Rechten
und zur Linken der schmale Bach, 
gesäumt von Butterblumen,
die gelb-leuchtend seinen Verlauf markieren.

Auch Pappeln stehen senkrecht, links und rechts, 
ein wenig Wind fährt ihnen leis durchs Laub, 
doch scheint mir, je weiter ich gehe, 
dass sie, anders als früher, enger jetzt zusammenstehn 
und ich frage mich, ob sich etwas geändert hat 
in den Jahren, die ich nicht mehr hier gewesen bin. 

Gewachsen werden sie sein, so sage ich mir, 
aber geändert, wirklich geändert hat sich nichts.
Und dann wird mir sehr plötzlich klar, 
wie unbedeutend ich, der Mensch, doch bin,
verglichen mit dem See, dem Bach, den Blumen 
und den Pappeln, mit allem – selbst, wenn ich tot wäre,
wären die Auswirkungen auf all das gleich null.

Die Pappeln würden weiter stehn und wachsen, 
die Winde würde wehen, die Blumen blühen,
jedem Sommer der Herbst, der Winter, 
ein Frühling und ein neuer Sommer folgen,
jeder Nacht ein Tag und eine neue Nacht.
Und ich schließe für einen Augenblick die 
Augen und denke: und mir ein anderer Mensch.

Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung von Ich gehe hat das Portal Literatur Rheinland einen Text von mir in seine Literaturkarte eingefügt: Die Burg und die Halblederjacke. Es ist, dem Charakter der Literaturkarte entsprechend, eine recht kurze Erinnerung an einen Park in meiner Geburtsstadt Nettetal Lobberich.

Auf der Literaturkarte findet man den Text (sowie viele weitere Texte, Angaben zu Partnern des Portals, literarische Institutionen im Rheinland usw.), indem man den jeweilige Orts- oder Städtenamen so groß zoomt, bis die sich bisweilen überlappenden Icons zu den verschiedenen Beiträgen erkennen lassen. Und dann ein Klick!

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Über Wolfgang Schiffer

Literatur (und alles, was ihr nahe ist) ist m. E. eines unserer wichtigsten Nahrungsmittel. Also zehre ich von ihr und versuche, sie zugleich zu nähren: als Autor, als Übersetzer, als Vermittler und nicht zuletzt als Hörer und Leser.
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9 Antworten zu Die Pappeln würden weiter stehn und wachsen

  1. Alexander Carmele schreibt:

    Ein wirklich schönes, mich berührendes Gedicht: „Und ich schließe für einen Augenblick die
    Augen und denke: und mir ein anderer Mensch.“ Danke für besinnliche Momente!

    • Wolfgang Schiffer schreibt:

      Danke, lieber Alexander, dass du es so liest und auf dich wirken lässt!

  2. wildgans schreibt:

    Und um „den See der Kindheit“ schlciche oder hüpfe ich stets herum…Danke!

  3. finbarsgift schreibt:

    Wirklich ein tolles Poem, lieber Wolfgang!
    LG vom Lu

  4. versspielerin schreibt:

    frühling, ein wunderbares gedicht, leicht und schwer zugleich, sehr berührend. gratuliere zu den veröffentlichungen!

  5. Kathinka Dittrich schreibt:

    Lieber Wolfgang,

    Ist ja wunderbar. Gratulation!

    Kathinka

  6. uflorath schreibt:

    Lieber Wolfgang…….das inspiriert, lässt Raum für eigene Bilder…und ist einfach schön!

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