Gedichte der Isländerin Kristín Svava Tómasdóttir

Einmal mehr gilt es, der Online-Literaturzeitschrift Signaturen-Magazin, namentlich ihrem Herausgeber Kristian Kühn, Dank zu sagen, werden in ihrer Reihe Wortlaut Island doch erneut bislang hierzulande unveröffentlichte Gedichte einer hier ebenso noch unbekannten isländischen Autorin vorgestellt. Ihr Name: Kristín Svava Tómasdóttir.
Entnommen haben wir, das Übersetzer-Duo Gíslason/Schiffer, die Texte im Original dem bereits 2015 im Reykjavíker Verlag Bjartur erschienenen Band Stormviðvörun / Sturmwarnung.
Eins der drei aktuell im Signaturen-Magazin veröffentlichten Gedichte will ich hier nun zitieren; zwei weitere finden sich (sowie eine große Auswahl weiterer Gedichte isländischer Provenienz) bei Interesse in der erwähnten Reihe des Magazins, Wortlaut Island.
MATERIAL Wir stehen eng zusammen unter dem Schilddach wie Pferde auf der Winterweide es singen die Rohre und das Eisen quietscht der Goretexstreifen windet sich farbenfroh vom Gipfel herab Island ist ein Land in ständiger Formation sie scharren Material vom Lambafell sie karren das Material vom Lambafell fort und legen es anderswo ab Stück für Stück verschwindet Lambafell* aber an einem anderen Ort entsteht neues Land wo vorher Meer war und Strand wenn die Blutgefäße im Herz versagen werden Blutgefäße dem Bein entnommen und an ihre Stelle gesetzt aber das Gewebe am Bein heilt wie im Flug neue Berge entstehen wo sie vorher fehlten wir sind ein Land in ständiger Formation *Lambafell ist ein Berghügel im Süden Islands. Dort gibt es auch einen Steinbruch.
Kristín Svava Tómasdóttir, geboren in Reykjavík 1985, hat bislang vier Gedichtbände veröffentlicht, zuletzt den Band Hetjusögur / Heldengeschichten, der 2020 den Fjöruverðlaun, den isländischen Frauen-Literaturpreis, in der Kategorie Belletristik gewann. Ihr Gedichtband Stormviðvörun / Sturmwarnung von 2015 erschien in den USA unter dem Titel Stormwarning; sein Übersetzer K. B. Thors wurde für die Übertragung für den amerikanischen PEN-Award in der Kategorie Übersetzung von Lyrik nominiert. Die Publikation seiner Übersetzung von Hetjusögur / Heldengeschichten ist beim amerikanischen Verlag Deep Vellum geplant.
Kristín Svava Tómasdóttir ist nicht nur Dichterin, sondern mit einem Master-Abschluss in Geschichte von der Universität von Island arbeitet sie auch als freiberufliche Historikerin. 2018 veröffentlichte sie das Buch Stund klámsins: Klám á Íslandi á tímum kynlífsbyltingarinnar / Zeit der Pornografie: Pornografie in Island während der sexuellen Revolution und erhielt hierfür den Viðurkenningu Hagþenkis genannten Preis, die Anerkennung der Wirtschaftswissenschaften. Sie ist eine der Autorinnen des Buches Konur sem kjósa / Frauen, die wählen, das 2020 den Fjöruverðlaun in der Kategorie Sachbücher erhielt; für Ende 2022 wird ihr Buch über die Geschichte der Gesundheit und Epidemien erwartet.
Foto © Guðrún Lára Pétursdóttir

Ausgerechnet unter dem Titel „Material“ die heilende Vernbundenheit zw Landachaft und Mensch suggerieren… Chapeau!