Vladimir Koljazins „Gleichnis von der Dreifaltigkeit“

Gleichnis in allen Sprachen hieß das 1. Gleichnis aus dem Gleichnis-Tryptichon des russisch-ukrainischen Dichters Vladimir Koljazin, das die Online-Literaturzeitschrift Literaturen-Magazin vor einigen Wochen veröffentlicht hat, – jetzt ist Gleichnis Nr. 2 gefolgt, Das Gleichnis von der Dreifaltigkeit…, mit dem der Autor seine poetische Reflexion über den barbarischen Krieg gegen die Ukraine fortsetzt.
Übertragen aus dem Russischen habe ich es auf der Basis einer Rohübersetzung durch den Autor selbst mit Hilfe von Kathinka Dittrich, der ehemaligen Leiterin mehrerer Goethe-Institute, u.a. in Moskau, und späteren Kulturdezernentin der Stadt Köln; die gemeinsame Arbeit am 3. und letzten Gleichnis wird bald beginnen.
Hier nun der Beginn von Gleichnis Nr. 2; in Gänze zu lesen ist bei Interesse unter diesem Link:
DAS GLEICHNIS VON DER DREIFALTIGKEIT
ПРИТЧА О ТРОИЦЕ
„Wäre es nicht fair, mit uns zu sprechen, Brüder…“
„Die Geschichte von Igors Kampagne“¹
«Не лепо ли нам бяшеть братие…»
«Слово о полку Игореве»
Gott hat uns eine Dreifaltigkeit gegeben.
Господь нам троицу дал
Mit der gemeinsamen Stimme der Dreieinigkeit
С равночестием троицы ипостасей
Das spiegelt sich gottlob in der russischen Vogeltroika wider
Счастливо в русской птице-тройке отразилася она
Die griechischen Meeresgottheiten gaben uns die drei Gorgonen-Geschwister Stheno und Euryale sowie die sterbliche Medusa
Нам аспид три медузы дал Сфено Эвриалу и сущую Медузу Горгону
„Wäre es nicht fair, mit uns – dem Volk – wieder zu sprechen, Brüder…“
Не лепо ли нам братие – народ глубинный – снова бяшеть
Warum brauchen wir Russen immer das Übermaß?
Зачем нам все в таком избытке?
Mögen wir Russen unsere Dreifaltigkeit ruhig alle Jahrhunderte hindurch verherrlichen
Дано нам россиянам прославить триединство во веках свое
Schließlich haben wir die Dialektik nicht von Hegel gelernt
Ведь диалектику учили мы известно не по Гегелю
Diese These-Antithese-Synthese. So weit, so gut
Тезис антитезис синтез Так ладно и так складно
Wir hier haben die Dialektik alle nach Marx studiert
Мы диалектику здесь проходили все по Марксу
Wir haben die drei Stadien des Kapitalismus bis hin zum höchsten gelernt
Познали мы три стадии капитализма вплоть до самой высшей
Ras–putins aktueller Imperialismus
Рас-путинского нонешнего империализма
Mit seinem Rückgriff auf die ehrlose „Schwarze Dreieinigkeit“ des Sonntags-Philosophen Alexander Dugin
С его опорой на неравночестную «Черную троицу» горе-философа Дугина
Eines Suchers nach dem „russischen Körper“, der uns eine Rechtfertigung für Putins drei Amtszeiten gibt
Искателя «русского тела» сующего нам оправдание трем путинским срокам
Wo die „Schwarze Dreieinigkeit“ herrscht, dort herrscht über Russland ein nicht zu durchbrechender Teufelskreis
Где «Черная троица» там замкнутый круг замок для России
Weit weg ist uns der Islam, dort verurteilte der Prophet die Menschen, die vor den Weisen davonlaufen
Далёк нам Ислам Пророк там осуждал людей бегущих от мудрецов
Wie Lämmer auf der Flucht vor Wölfen
Как ягнята от волков бегут
Und bestrafte sie mit einem grausamen Tyrannen
И в наказанье ставил над ними жестокого тирана
Weit weg ist uns Europa, es ist uns fremd, und wie es heißt, ist es ʻuntergegangenʻ
Далёка Европа нам чужда она и как известно ʻзакатиласьʻ
Und hier noch einmal der Link zum vollständigen Gedicht im Signaturen-Magazin.
Vladimir Koljazin, geb. 1945 nahe Neshin in der Ukraine, seit dem Armeedienst 1968 in Moskau lebend, ist ein russischer Theaterhistoriker, Germanist, Übersetzer und Lyriker. Er absolvierte 1972 das Staatliche Institut für Theaterkunst, später und bis heute arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter (Dr.h.c.) des Staatlichen Instituts für Kunstwissenschaft. Er übersetzte u.a. Arthur Schnitzler, Martin Sperr, R.W. Fassbinder, Peter Handke, Botho Strauss, Heiner Müller und Elfriede Jelinek ins Russische. Von ihm erschienen in Russland u.a.: » Monografien über deutsch-russische Theaterbeziehungen« (1998, 2. erw. Auflage 2013); »Mysterium und Karneval« (2002); » Peter Stein: Schicksal eines Theaters« (2012), Hrsg. und Co-Autor »Erwin Piscator« (2022). Poetische Lesungen in Moskau, Berlin, Wien. Vladimir Koljazin lebt in Moskau.