„Sommer“ in den Signaturen

Foto © Wolfgang Schiffer
Ich bin sicher, es gibt viele Menschen, die ihn sich jetzt wünschen, den Sommer, jetzt, da in unserem Teil der Erde der Winter näher rückt oder gar schon eingetroffen ist, schließlich sind nicht alle Fans von Schnee und Eis. Doch zu haben ist der Sommer um diese Jahreszeit, will man nicht die Welt mit Kerosin verpesten, wohl nur in der Literatur und hier bisweilen sogar im Gedicht.
Ein solches hat die Online-Literaturzeitschrift Signaturen-Magazin jetzt in ihrer Reihe Wortlaut Island veröffentlicht, noch dazu von einem meiner Lieblingsdichter von der Insel im hohen Norden: dem „Atomdichter“ Stefán Hörður Grímsson.
Stefán Hörður Grímsson, wurde 1919 oder 1920, die Angaben differieren diesbezüglich, in Hafnarfjörður geboren, er starb 2002 in Reykjavík. Für viele Jahre wuchs er als Waise auf dem Land auf. Später besuchte er die Laugavatnsschule und das Städtische Zentrum für Erwachsenenbildung in Islands Hauptstadt. Er übte verschiedene Tätigkeiten aus, u.a. in der Landwirtschaft und als Seemann. Nach seinem lyrischen Debüt Glugginn snýr í norður / Das Fenster öffnet gen Norden 1946 veröffentlichte er fünf weitere Gedichtbände, deren zweiter, Svartálfadans / Schwarzelfentanz, 1951, seinen Ruf als einen der modernistischen isländischen Dichter festigte, die die traditionelle, auf feste Versformen und Reimschemata basierende isländische Dichtkunst revolutionierten und zunächst abwertend als „Atomdichter“ bezeichnet wurden. Später wurde ihnen jedoch hohes Ansehen zuteil, wie nicht zuletzt die Auszeichnungen belegen, die Stefán Hörður Grímsson erhielt: Neben einer Nominierung für den Literaturpreis des Nordischen Rats wurde ihm 1990 für seinen ein Jahr zuvor erschienenen Gedichtband Yfir heiðan morgun / Über heiterem Morgen der erstmals vergebene Isländische Literaturpreis verliehen.
Entnommen ist das Gedicht, das ich hier nun zitieren will, dem mit Aquarellen von Bernd Koberling bibliophil gestalteten und zweisprachig edierten Gedichtband Geahnter Flügelschlag, der 2013 im Kleinheinrich Verlag erschienen und dort immer noch zu beziehen ist.
Sommer
Die braunen Fischernetze des Dorfes
hängen an Latten und Seilen
Angelschnüre und Fangleinen im Rund
warten im halbdunklen Eck.
Bleigraue Wellen im Fjord
plätschern um Brückenpfähle
und hofieren Bordwände versiegelt mit Teer.
Hinter grünem Heiderücken
weit draußen im Westen leuchtet
ein klein wenig runde Sonne.
Und im fahlen Sonnenschein des Abends
lehnt sich ein kleines Mädchen an die Schuppenwand
und wartet still darauf dass jemand
um die nächste Ecke kommt.
Mit dem Gedicht Sommer von Stefán Hörður Grímsson binden wir, das Übersetzer-Duo Gíslason/Schiffer, einmal mehr einen bereits veröffentlichten modernen Klassiker in unsere Vorstellungen der ansonsten üblichen Neuerscheinungen in der Reihe Wortlaut Island ein, aus Respekt vor diesem Großen der isländischen Poesie, doch, offen gesagt, auch ein wenig zur Balancierung unseres Arbeitsaufkommens, denn der so großartige und inzwischen eingespielte vierzehntägige Publikationsrhythmus im Signaturen-Magazin hält uns auch an, ganz schön fleißig zu sein.
Alle bisherigen Veröffentlichungen dort sind bei Interesse unter diesem LINK nachzulesen; dazu wünsche ich allen viel Vergnügen! Und auch wenn es vor Jahresende wohl noch zu einer weiteren Veröffentlichung in der Reihe Wortlaut Island kommen wird, so wünsche ich jetzt schon vor allem eins: Gleðilegt jól og farsælt nýtt ár!

danke, lieber wolfgang, für dieses feine gedicht!
dir die allerbesten wünsche für die kommenden weihnachtstage wie auch die neujahrszeit!
sehr herzlich: pega 🎀🌲
Ich danke für den schönen Kommentar, liebe Pega, und wünsche dir von Herzen ebensfalls einen guten Jahresausklang und einen gelassenen Rutsch in ein hoffentlich besseres Neues Jahr! Wolfgang
Man spürt fast Salz auf den Lippen bei diesen Zeilen… Danke dafür, lieber Wolfgang! Komm gut durch diese Zeit und einen frohe Weihnacht wünsche ich Dir, herzlichst Petra
Herzlichen Dank! Und auch Dir einen schönen Jahresausklang und einen guten Rutsch in ein hoffentlich besseres Neues Jahr! Herzlichst Wolfgang
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