Gedichte von Björk Þorgrímsdóttir

Foto © Wolfgang Schiffer
Es hält uns, das Übersetzer-Duo Gíslason/Schiffer, ganz schön auf Trab, wenn Monat für Monat und das gleich zweimal im Monat ein bis fünf Gedichte von isländischen Autorinnen und Autoren vorgestellt werden wollen, noch dazu möglichst solche, die zuvor noch nie veröffentlich waren, doch wir lassen uns gerne treiben, lieben wir doch die Online-Literaturzeitschrift Signaturen-Magazin für die Möglichkeit, die sie uns und der isländischen Poesie mit der Reihe Wortlaut Island eröffnet hat, und tun trotz anderer Dinge, die getan sein müssen (der eine zeichnet und malt, der andere schreibt, beschreibt und übersetzt auch anderes), gerne viel, um diesen Zyklus nicht in seiner Regelmäßigkeit schwanken zu lassen. Folgerichtig erschien in Wortlaut Island gerade noch rechtzeitig am letzten Tag des Oktobers auch der zweite Oktoberbeitrag, diesmal von einer Autorin, die wir hier bereits einmal vorgestellt haben: Björk Þorgrímsdóttir.
Die beiden Gedichte, die wir damals im August als fünften Beitrag der Reihe Dætur Íslands veröffentlichten, entstammten dem aktuellen Poesiebrief, den die Schriftsteller Ragnar Helgi Ólafsson und Dagur Hjartarson in Island herausgeben; heute wollen wir vier Gedichte und einen Vorspruch aus dem danach erschienenen Gedichtband der Autorin zeigen: Hún sem stráir augum / Sie, die Augen streut, erschienen in diesem Jahr im Verlag Mál og menning, Reykjavík.
Zu einem ersten Kennenlernen will ich hier nun den Vorspruch und eins der im Signaturen-Magazin veröffentlichten Gedichte zitieren; später dann findet sich der Link, der die interessierte Leserin, den interessierten Leser zu den weiteren Texten führt.
es schneit glasscherben heute
siehst du nicht wie sie aus den wolken fliegen
fußstapfen knacken, brechen, bröckeln unter den sohlen
siehst du nicht wie es heute scherben schneit?
Augenstern
im schutz der nacht wachsen die bäume
darüber waren wir uns einig
war ich es oder du der zurückgekommen ist?
war ich eine heilige und die haut ein krankhaft strahlender
kern einer zitrusfrucht
wir lasen schweigend in unseren handflächen
gaumen an gaumen
während die augensterne ohne aussöhnung
in der dunkelheit versanken
fürs experimentieren gibt es keine medaille
du mit deiner gespaltenen zunge
und ich die ich mir den orden anstecke
direkt unter dem schlüsselbein
Hier nun der LINK zum vollständigen Beitrag im Signaturen-Magazin.
Björk Þorgrímsdóttir, geb. 1984, studierte Philosophie (BA) und Kreatives Schreiben an der Universität von Island (MA). Ihr erster Gedichtband Bananasól / Bananensonne wurde 2013 veröffentlicht; ein Jahr später folgte der Band Neindarkennd / Ein Gefühl von Nichts sowie 2021 Hún sem stráir augum / Sie, die Augen streut. Für das hierin veröffentlichte Gedicht Augasteinn / Augenstern wurde Björk Þorgrímsdóttir 2020 mit dem Jón-úr-Vör-Poesiestab ausgezeichnet, dem Literaturpreis des gleichnamigen Lyrik-Wettbewerbs zu Ehren des isländischen Bibliothekars und Dichters Jón úr Vör (1917 – 2000).
„es schneit glasscherben heute“ – sehr, sehr einprägsam!
Danke, lieber Wolfgang und Jón Thor. Sehr schön ist das. Eure Leistung kommt gleich Sternen für die Augen – und das Herz.
Du übertreibst, liebe Sigrún! Das macht aber nichts; dafür liebe ich Dich!
Augenstern – sehr feines Poem!
Herzliche Grüße 💌