Eine erste Stimme zu Lederjackenwetter von Fríða Ísberg

Die Online-Literaturzeitschrift Signaturen-Magazin widmete sich gestern gleich 2 x der isländischen Schriftstellerin Fríða Ísberg – mit einer Rezension ihres soeben im ELIF Verlag erschienenen Gedichtbands Lederjackenwetter und mit einigen ihrer Gedichte selbst.
Verwundende Welt nennt Stefan Hölscher seine Rezension zu dem Gedichtband der 1992 geborenen isländischen Schriftstellerin und beginnt diese zunächst mit einer Betrachtung des äußeren Erscheinungsbildes:
Das Erleben eines Buches, wie das einer Lederjacke, beginnt mit dem Blick auf das Äußere, das einen mehr oder weniger anspricht / anmacht und eine mehr oder weniger große Lust erzeugt, da mal reinzuschlüpfen und zu schauen, wie man sich damit so fühlt. Das Cover des im Elif Verlag jüngst zweisprachig erschienenen Gedichtbands „Lederjackenwetter“ von Fríða Ísberg hat mich auf Anhieb angeturnt, meinen Blick magnetisiert.
Sodann heißt es:
Das von den beiden profunden Kennern isländischer Literatur, Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer übersetzte Buch zeigt auf jeder Seite schon durch seine Gestaltung Liebe und Respekt gegenüber jedem Detail des sich hier auftuenden poetischen Kosmos. Was das Buch dabei so ganz nebenbei für die gesamte Gattung, zu der es gehört, auch bezeugt, ist, dass es als physisches, als haptisch-visuelles Produkt 1000mal schöner, stärker, verführerischer ist als jede Form eines virtuellen Gebildes an seiner Stelle sein könnte.
Und weiter:
So elementar sinnlich wie die äußere Erscheinung des „Lederjackenwetters“ einem entgegentritt, so treten auch die darin in drei Kapiteln mit den schlichten Titeln „1. pers., 2. pers., Wir“ versammelten Gedichte der 1992 geborenen Fríða Ísberg hervor. Es sind Gedichte, die ganz unverstellt, ganz unprätentiös, und fast möchte man sagen, angesichts einer Art von Diktum in der Gegenwartspoesie eher über Quallen und Gestein als – und schon gar nicht direkt – über Gefühle zu sprechen, genau das tun. Fríða Ísbergs Texte sprechen von Gefühlen. Sie sprechen von Empfindsamkeit, Empfindlich-keit, Verletzbarkeit, Verwundung auch, und sie sprechen von Jacken, die man als Schicht darüber trägt wie eine Haut über der Haut, wie eine Haut, die Schutz verleiht, die aber auch wie ein Gewicht an einem zu hängen droht.
Und schließlich:
Fríða Ísbergs Gedichte sind stark und mutig darin, wie klar, wie scheinbar einfach gestrickt und zugänglich sie sind. Sie sind in hohem Maße familienähnlich in ihrem Ton, ihrem Duktus, ihrer Bildlichkeit. Bilder wie das der Garderobe, der Lederjacke oder des Spiegels kehren in den sie umspielenden Texten immer wieder und geben der Sammlung der Gedichte insgesamt ein hohes Maß an Zusammenhalt. (…)
Man kann die Gedichte von Fríða Ísberg auch wie verkappte Liebesgedichte lesen: Gedichte über die Liebe zu einer verwundend wundersamen Welt.
Wer sich für die Besprechung in Gänze interessiert, finden hier den Weg auf die entsprechende Seite des Literaturen-Magazins.
Enthält bereits die Rezension von Stefan Hölscher einige kurze Textbeispiele, so macht das Signaturen-Magazin in seiner Reihe Wortlaut Island gleich Platz für drei vollständige Gedichte der Autorin. Eines davon, das Titelgedicht, sei hier zitiert:
LEDERJACKENWETTER
freitagabend
die stiefelschnallen rasseln
wenn du wie Clint Eastwood auf dem weg
zu einer party die Tjarnargata hoch gehst
„I have a very strict gun control policy:
if there´s a gun around, I want to be in control of it”
da ist platz für vieles
in dieser bewegung zwischen macht und ohnmacht
lautes lachen
schwingendes haar
das licht im juni ist ein platzfreches kind
es nimmt das ganze bett für sich
du erinnerst dich
nicht so zu sein
in den jackentaschen
formst du dennoch deine hände zu pistolen
Wer nun noch die beiden weiteren Gedichte von Fríða Ísberg, die das Signaturen-Magazin vorstellt, lesen möchte und nicht warten will, bis womöglich eine Buchhandlung des Vertrauens das Werk als veritables Buch (Fríða Ísberg: Lederjackenwetter. Gedichte. Isländisch/deutsch. Übertragen von Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer. Nettetal (ELIF Verlag) 2021. 92 Seiten. 18,00 Euro) bereitstellt, der mag nun diesen Link anklicken.
Das Übersetzerduo Gíslason/Schiffer dankt auch im Namen der Autorin jedenfalls schon mal herzlichst für Ihr / Euer Interesse und das schöne Aufmerken der Online-Literaturzeitschrift Literaturen-Magazin zu ihrem ersten in deutscher Übertragung erschienenen Werk Lederjackenwetter.

Friða Ísberg, geboren 1992, besuchte das Hamrahlíð-Gymnasium in Reykjavík / Island und beendete ihr anschließendes Studium an der Universität von Island mit einem Examen in Philosophie und einem Master in Kreatives Schreiben. Die Autorin, deren Arbeiten in verschiedenen Publikationen erschienen sind, ist Mitglied des Schriftstellerinnen-Kollektivs Svikaskáld / Betrügerische Dichterinnen und schreibt gelegentlich Rezensionen für das britische Literaturmagazin The Times Literary Supplement.
Nach dem Gedichtband Slitförin / Verschleißspuren (2017) und der Kurzgeschichten-sammlung Kláði / Jucken (2018, nominiert für den Literaturpreis des Nordischen Rats 2020) ist leðurjakkaveður / LEDERJACKENWETTER (2019) neben diversen Veröffentlichungen im Schriftstellerinnenkollektiv Svikaskáld / Betrügerische Dichterinnen ihr drittes Buch. Erstmals wird hiermit ein Werk der Autorin, die für ihre Arbeit bislang u. a. mit dem Literaturpreis der Buchhändlerinnen und Buchhändler und dem Nýræktarstyrk, einem Stipendium des Zentrums für isländische Literatur (Miðstöð íslenskra bókmennta) für neue Stimmen, ausgezeichnet wurde, in deutscher Übertragung vorgestellt. In Island ist aktuell ihr Roman Merking / Markierung erschienen.