Ein Gedichtband von Brynjólfur Þorsteinsson

Foto © Wolfgang Schiffer
Ich glaube, es war die isländische Schriftstellerin Fríða Ísberg, die mich mit einer Notiz bei Facebook auf den Gedichtband Sonur grafarans von Brynjólfur Þorsteinsson aufmerksam gemacht hat; das sei etwas ganz Feines, hieß es da, also schaute ich auf die Seite des Verlags Una útgáfa, der das Werk 2020 veröffentlicht hatte, und erfuhr noch oberdrein, dass ihm vom isländischen Buchhandel die Auszeichnung Bester Gedichtband des Jahres verliehen worden war.
Also, den Band musste ich haben, versprach doch auch noch der Titel eine wundersam poetische Lektüre: Sonar grafarans heißt nämlich Der Sohn des Totengräbers.
Allein, die Wege der Post zwischen Island und Deutschland und vice versa sind nicht immer die schnellsten; manchmal dauert es, aus nicht nachvollziehbaren Gründen, mehrere Wochen, bis einen das längst Verschickte erreicht. Auf der Verlagsseite befand sich aber schon mal ein Gedicht des Autors und darüber haben wir, das Übersetzer-Duo Gíslason/Schiffer, uns natürlich sofort hergemacht.
Und das Signaturen-Magazin – ich habe es hier bereits verschiedentlich genannt -, war so freundlich, das Ergebnis auch gleich in seiner Reihe Wortlaut Island zu veröffentlichen. Hier der Beginn des Gedichts:
Wir Geister
die lebensdauer von geistern beträgt einhundertzwanzig jahre
genug zeit
verschiedene dinge zu tun
alte witwen erschrecken
alte häuser erschrecken
geschirr zerbrechen
hunde bellen lassen
wände verblassen lassen
Undsoweiter: Was Geister sonst noch tun oder nicht, ist hier auf der entsprechenden Seite in den Signaturen zu lesen.
Es ist, da bin ich mir recht sicher, nicht das letzte Gedicht, mit dem Brynjólfur Þorsteinsson sich bei uns vorstellen wird, sobald uns sein Band erreicht hat, werden wir ein wenig mehr zeigen wollen. Und – von der Tipp-Geberin Fríða Ísberg übrigens auch: Von ihr erscheint im Herbst im ELIF Verlag sogar ein ganzer Gedichtband. Der Titel: leðurjakkaverður / lederjackenwetter.
Brynjólfur Þorsteinsson lebt in Kópavogur nahe Islands Hauptstadt Reykjavík; er studierte Allgemeine Literaturwissenschaften (B.A.) und Kreatives Schreiben (M.A.) an der Universität Islands und veröffentlichte Hörspiele, Erzählungen und Kurzgeschichten sowie die Gedichtbände Þetta er ekki bílastæði / Dies ist kein Parkplatz (2019) und Sonur grafarans / Der Sohn des Totengräbers (2020). 2019 wurde er für seine Lyrik mit dem Poesiestab Jón-úr-Vör, benannt nach dem gleichnamigen bekannten Dichter und Bibliothekar (1917 – 2000), ausgezeichnet, 2020 verlieh der Buchhandel seiner Publikation Sonur grafarans / Der Sohn des Totengräbers den Titel Bester Gedichtband des Jahres.
Das Foto und die Überschrift (aus dem Gedicht) allein sind schon genug für fünf Sterne
Gefiel mir gut, das Gedicht. Danke für den Hinweis auf den Herren der Geister, dessen Namen meine Tastatur nicht zustandebringt.