Sigurbjörg Þrastardóttir und ihre teils messerscharfe Lyrik

Heute will ich drei Texte einer weiteren Autorin vorstellen, die mit mehreren Gedichten in dem Island-Kapitel das licht ein platzfreches kind des aktuellen Bandes 280 der Literaturzeitschrift die horen vorgestellt wird: Sigurbjörg Þrastardóttir.
Auch wenn 2011 im Verlag Blumenbar mit Fackelzüge ein von Kristof Magnusson übersetzter Gedichtband von ihr erschien und sie mehr als einmal zu Lesungen und Veranstaltungen hierzulande eingeladen war, so gilt sie trotz ihres auch quantitativ ansehnlichen Werks leider doch zu den unbekannteren Schriftstellerinnen und Schriftstellern von der Insel im Nordatlantik. Liest man ihre oft gestochen klaren poetischen Bilder, so wünscht man sich, dies möge sich ändern!
Desinfektion zu Vogelfangzeiten
Die Waschkrähe
ist ein bestimmter Knirschlaut in Wolle
oder anderen Stoffen
wenn der Dreck rausgewaschen ist
davon
bekommt man leicht
eine Gänsehaut
anschließend
tröpfelt es gerne aus einem fettigen Augenlid
ein unerklärliches Phänomen das man
ohne Zögern
Blutgerinnung
nennen darf
Sie ist Knochen
Ihr keineswegs
schreiben, dann fliegt
alles auf, es dabei belassen,
den glatten
schlanken Arm zu berühren, am liebsten
unbeobachtet, und
auf dem Heimweg die Tränen trinken
wie technisches
Wasser
aus einem glänzenden Hahn
Blauveilchen und Lichterhang
Nun schneiden durchs Fleisch
die Messer
die meinen bläulichen Körper
hoch halten über der grellen
Stadt
nirgendwo Blut
ich spüre den Atem
der Mütter die sich im Licht des Bads
in fünf Sekunden schminken und
krankhaft schwere Taschen tragen doch
hier ist kein Gepäck erlaubt (die Haut geht auf)
hier über
der trauervollen Stadt
die glänzt
von Gummi und Schweiß

Sigurbjörg Þrastardóttir, geb. 1973 in Akranes, lebt als Rundfunk-Kolumnistin und Schriftstellerin in Reykjavík. Seit ihrem ersten Lyrikband im Jahr 1999 veröffentlichte sie neben Theaterstücken, Erzählungen und zwei Romanen acht weitere Gedichtbände, für die sie mehrere literarische Auszeichnungen und Preise erhielt. In deutscher Übertragung erschien 2011 ihr Gedichtband Fackelzüge. Letzte Buchpublikationen (in isländischer Sprache) u. a.: Kátt skinn (og gloria), Gedichte, Reykjavík 2014, Hrygg dýr, Gedichte, Reykjavík 2018 sowie ganz aktuell Mæður geimfara, Reykjavík 2020.
Die hier in der Zeitschrift die horen in Übersetzung veröffentlichten Gedichte sind dem Band Hrygg dýr entnommen.