An Frieslands Küste und anderswo

Ein Geburtstagsgruß anlässlich des Erscheinens Gesammelter Gedichte und Nachdichtungen von Johann P. Tammen

Als Johann P. Tammen, der langjährige Herausgeber des bedeutenden Literaturperiodikums die horen, diese Tätigkeit vor einigen Jahren in neue, in der Redaktionsarbeit bereits bewährte Hände übergab und der nunmehr von Jürgen Krätzer verantworteten Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik mit dem Wallstein Verlag überdies zu einer neuen publizistischen Heimat verhalf, da habe ich den Wunsch geäußert, dass er nach dem Ablegen dieser Verantwortung nun umso mehr Zeit und Kraft haben möge für den zweiten großen Teil seiner Lebensleistung: der eigenen Dichtkunst!

Anlässlich seines 75ten Geburtstags, bei dessen Feier in Bremerhaven ich die Freude hatte zugegen zu sein, habe ich diesen Gedanken in einem kleinen Geburtstagsgruß noch einmal aufgegriffen – spielerisch und in Anspielung auf einen Doppelsammelband mit vom Dichter selbst kritisch durchgesehenen eigenen Gedichten und Nachdichtungen internationaler Lyrik, der pünktlich zum Ehrentag Anfang Februar im Wallstein Verlag erschienen ist: Stock und Laterne – Ausgewählte Gedichte 1969 – 2019 und Wind und Windporzellan – Nachdichtungen – Von Guillaume Apollinaire bis Valentino Zeichen.

Das Ende meines Geburtstagsgrußes lautete wie folgt:

Natürlich bist Du darin (in der eigenen Dichtkunst) nie müde gewesen, aber ich muss gestehen, dass ich als Teil Deiner Leserschaft manchmal etwas gehemmt war angesichts der bibliophilen Kostbarkeiten, in denen Du veröffentlicht hast, dass ich sie ob ihres Wertes beinahe gar nicht aufzuschlagen, also beinah gar nicht zu lesen gewagt habe!

Du glaubst gar nicht, wie groß meine Freude ist, dass dies nun ein Ende hat! Du magst es vielleicht als ein Geschenk des Verlages ansehen, dass der Wallstein Verlag zu Deinem 75ten einen Doppelband mit von Dir ausgewählten Gedichten vom Anfang bis auf den heutigen Tag und Deinen Nachdichtungen herausbringt – auf weit mehr als 450 Seiten – und zweifellos ist es auch eins, vielleicht sogar ein weitaus nachhaltigeres als die Geschenke, die wir Dir heute mitbringen konnten – aber, lieber Johann, glaube mir, vor allem beschenkst Du mit dieser kritischen Aufbereitung und Veröffentlichung Deines lyrischen Werks – uns, Deine Leserinnen und Leser! Und wenn ich Dir heute etwas wünsche, dann ist es – neben Glück, Freude, Wohlergehen – dann ist es vor allem, dass die Schar Deiner Leserinnen und Leser unzählig werden möge, dass die Ernte, die Du für Dein Schaffen einfährst, reif und reich sei wird! Ein oder zwei gut dotierte Literaturpreise dürfen aus meiner Sicht übrigens gerne auch dabei sein – nicht zuletzt, weil sie uns doch die Gelegenheit gäben zu einem baldigen erneuten von Herzen kommenden Ausruf: Lieber Johann, herzlichen Glückwunsch!

Ich denke, ich muss nicht betonen, dass dieser Wunsch – auch ohne den feierlichen Anlass – immer noch gilt! Als Freund des Dichters enthalte ich mich an dieser Stelle einer „qualitativen Bewertung“ seines lyrischen Schaffens, sie könnte mir als allzu subjektiv ausgelegt werden – sagen darf ich aber, dass sich ein Einlesen darin, ein Eindringen ganz zweifelsfrei lohnt. Das Zitat eines Gedichts werfe ich hierzu gerne als „Köder“ aus.

 

Der Tischkalender

Das Meer   mit kalten Händen
himmelsheimwehblau umfasst

erdig unter der Tischlampe
schwappt auf´s Kalenderblatt.

Es flieht den Zigarrenrauch.

Der Lotse träumt von Libellen
mit Vorwahlnummer.

Das Meer   ein zum Himmel
schreiendes Großmaul   ein

Geklapper windschief kauender
Kammwellenzähne.

Es verschmäht Wasserfarben.

Die Mär von dem Schiff   mit
seegrünen Tagfalterflügeln

ist aus erfundenem Holz.

Der Dichter Johann P. Tammen

Foto: Porträts    Der Dichter Johann P. Tammen

 

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Über Wolfgang Schiffer

Literatur (und alles, was ihr nahe ist) ist m. E. eines unserer wichtigsten Nahrungsmittel. Also zehre ich von ihr und versuche, sie zugleich zu nähren: als Autor, als Übersetzer, als Vermittler und nicht zuletzt als Hörer und Leser.
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