Hans Fallada in Selbstzeugnissen – mit Aquarellen von Hans-Jürgen Gaudeck
Sehnsucht ist besser als Erfüllung – unter diesem Titel hat der Steffen Verlag bereits ein Jahr, bevor Hans Fallada, der große Schriftsteller der „Neuen Sachlichkeit“, zu seinem 70. Todestag am 5. Februar dieses Jahres eine kaum noch zu übersehende Neu-Entdeckung erfuhr, eine kleine, von Jutta Mirtschin mit treffendem Strich illustrierte Sammlung mit Lebensweisheiten und Aphorismen aus dem Werk des Autors veröffentlicht, ausgewählt von Werner Sagner, einem Mitglied der Hans-Fallada-Gesellschaft, und Erika Becker, der Leiterin des Hans-Fallada-Archis Carwitz.
Zum Todestag selbst veröffentlicht der Verlag sodann die neue Fallada-Biografie von André Uzulis – im aktuellen Beitrag Hans Fallada: Kleiner Mann, mit Größe gescheitert des Blogs Sätze & Schätze von Birgit Böllinger findet diese ebenso ihre Würdigung wie die neue Biografie zu Hans Fallada (alias Rudolf Ditzen mit bürgerlichem Namen), die Peter Walther im Aufbau Verlag publiziert hat.
Der Steffen Verlag legt aber noch ein in meinen Augen ansehnliches Schmuckstück obendrauf. In seiner Reihe edition federchen, in der der Berliner Maler Hans-Jürgen Gaudeck u. a. bereits ausgewählten Texten von Eva Strittmatter und Rainer Maria Rilke auf kongeniale Weise sein Können als Aquarellist zur Seite gestellt hat, ist vor wenigen Wochen nun der Band Ich weiß ein Haus am Wasser erschienen.
Aus Selbstzeugnissen komponiert, entnommen dem autobiografischen Werk Heute bei uns zu Haus, Tagebüchern und Briefen an Eltern, Schwester und Verwandte, erzählt Ich weiß ein Haus am Wasser von der wohl glücklichsten Zeit im bewegten Leben des Autors, der von sich selbst einmal gesagt hat:
Ich habe immer Glück im Unglück gehabt, aber ich hatte auch stets Pech im Glück.
In Carwitz, einem kleinen Dorf in Mecklenburg in der Feldberger Seenlandschaft, kauft Hans Fallada 1933 ein kleines altes Gutshaus mit einer dazugehörigen Landwirtschaft. Hier erleben wir ihn nun neben seinem Schreiben bei der Arbeit auf dem Hof, im Umgang mit Frau und Kindern und dem Hund, wir riechen geradezu den Geruch von Blättern und Heu, hören das schlappende Geräusch der Wellen auf dem See, das Sirren der Bienen und spüren den Frost des Winters, der die Obstbäume erfrieren lässt.
All dies, was uns die klare Sprache des Autors bereits auf eindrückliche Weise vermittelt, verstärkt Hans-Jürgen Gaudeck in einem Wechselspiel von Text und Aquarell nun noch durch ein Augenerlebnis besonderer Güte.
In meinem seinerzeitigen Beitrag Oh hoher Baum des Schauns zur Dichtkunst Rainer Maria Rilkes habe ich bereits meinen Respekt vor dem Können des Künstlers bekundet. Hier bestätigt er dieses Können einmal mehr.
Mal fließend, mal flächig, mal getupft schreiben die Farben in den stets richtigen Schattierungen – von euphorisch leuchtend bis melancholisch gedämpft – die Stimmungen des Autors fort, lassen uns den Wechsel der Jahreszeiten erleben und beleben derart das Nachempfinden der tiefen Zuneigung, die Hans Fallada für dieses sein Haus am Wasser empfunden hat.
Gut 80 Seiten Literatur und Kunst des Aquarells in schönster Korrespondenz – ich möchte sie nicht missen!
Wie wunderhübsch, vielen Dank, lieber Wolfgang! Fallada liegt mir sehr am Herzen, seit meiner Jugend im fortlaufenden Wandel des Lesens und Verstehens. Die Bilder so zart wie Falladas Andeutungen, Zwischentöne. Ich werde es verschenken, anderen und mir.
Herzlichen Dank. liebe Angelika! Ich freue mich, dass Du meine Ansicht teilst – ich schätze beide, Fallada und Gaudeck, ebenfalls sehr!
Macht Lust auf Carwitz … da wollte ich ohnehin mal hinfahren …
Ein schöner Vorsatz! Ich war auch noch nicht dort, aber die Aquarelle machen Lust, neben dem Archiv auch durch die dortige Landschaft zu streifen!
„Ich weiß ein Haus am Wasser“ scheint mir nach dieser Vorstellung hier ja ein wunderbares Buch zu sein. Und es passt auch gut zur inhaltlichen Ausrichtung von Stift und Schrift. Ich bleibe „dran“.
Es freut mich, dazu angeregt zu haben! Danke und weiteres Vergnügen damit!
Lieber Wolfgang, herzlichen Dank für den Link zu den beiden Biographien. Das Wasser-Buch habe ich momentan auch hier liegen und schon bewundernd reingeschaut … im Gegensatz zu Dir kannte ich zuvor jedoch keine Arbeiten von Gaudeck, umso schöner erst einmal bei Dir mehr zu erfahren …
Liebe Birgit, ich hoffe, mein Verlinken war in Deinem Sinn? Ich meinerseits haben den Walther hier auf dem Bücherberg – und leider noch nicht die Zeit gefunden. Dank Deiner Besprechung kann ich diese Biografie nun zum Glück „nur“ lesen…
Natürlich war das in meinem Sinn, danke sehr! Und den Walther kannst Du vor allem auch genießen – ist auch sprachlich wirklich ein sehr gutes Buch. Wobei ich mich natürlich freuen würde, bei Dir oder andernorts eine Einschätzung der Biographie zu lesen.
Was für ein wunderschöner Tipp! Ich habe das von Gaudeck illustrierte Zwiegespräch mit Eva Strittmatter seit einigen Jahren im Regal stehen und hole es immer wieder gern hervor – einer meiner liebesten Eva-Bände! Und nun entdecke ich Dank Ihnen, dass es auch zu Fallada eines gibt und vor allem eines, das die Carwitz-Zeit in den Mittelpunkt rückt. Ich war vor zwei Jahren dort. Zuerst auf dem Schulzenhof und im verwunschenen Unterholz von Evas Wäldern mit den sandigen Wegen. Und dann einen Tag danach in Carwitz. Flimmernde Hitze, ein Duft nach Heu und Sommer und dann dieses Haus in diesem Garten am See. Ich war kein großer Fallada-Fan, aber das hat mich berührt, dieses ländliche Refugium. Für mich haben sich Strittmatter und Fallada an diesem Wochenende mit einander verbunden. Wurden für mich zu einem Kosmos aus Worten und Apfelbäumen. Wie schön, dass ich nun auch in meinem Buchregal eine Verbindung herstellen kann. Lieben Dank, schon bestellt!
Über den Band zu Eva Strittmatter habe ich seinerzeit auch kurz geschrieben:
https://wolfgangschiffer.wordpress.com/2015/08/09/und-liebe-liebt-niemals-vergebens/
aber Ihre Erfahrung, dort vor Ort und in der Landschaft gewesen zu sein, die fehlt mir!
Ich hoffe, ich werde noch Gelegenheit finden, dies nachzuholen!
Unbedingt. Es ist ein ganz eigener Ort, dieser Schulzenhof. Und die Wälder dort herum. Kein Mensch nirgends. Wir sind querwaldein gegangen. Durchs Unterholz. Und an einem verborgenen See gelandet. Darüber flog ein Adler hin. Und diese Stille. Werde ich nie vergessen.
Oh das ist ein Buch wie für mich gemacht, ich brauche mich gegen meine Leseunlust nicht zu wehren, kann Aquarelle betrachten und stecke dennoch voll in Literatur. Danke.
Oh, das mit der Leseunlust kenne ich bisweilen auch! Schön, dass ich hier nun ein wenig „Abhilfe“ schaffen konnte! Danke!
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