Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik für Hörspielbearbeitung
Mit einem der elf in diesem Jahr vergebenen Jahrespreise ehrt der Preis der deutschen Schallplattenkritik die Hörspielfassung des Science-Fiction Klassikers Wir von Jewgenij Samjatin, produziert vom SWR und als Hörbuch erschienen bei DAV, dem Audio Verlag.
Der Preis der deutschen Schallplattenkritik ist ein eingetragener Verein mit mehr als 150 ehrenamtlich tätigen Fachkritikerinnen und Fachkritikern, der qualitative Orientierung bieten will auf dem Markt der zahlreichen CD- und DVD-Produktionen in Musik und Wort. Dazu erstellt er in einem unabhängigen Juryverfahren alle drei Monate eine Bestenliste in über 30 Kategorien verschiedener Musik- und einiger Wortrichtungen; zehn Kritikerinnen und Kritiker finden sich darüber hinaus unter Leitung des Vereinsvorsitzes Anfang Oktober stets zu einem „Jahressauschuss“ genannten Gremium zusammen und befinden über bis zu vierzehn Jahrespreise, drei Ehrenpreise und eine besondere Auszeichnung: die „Nachtigall“.
Insgesamt waren diesmal 113 Produktionen aus den letzten achtzehn Monaten von der Gesamtjury, also den mehr als 150 tätigen Fachkritikerinnen und Fachkrikern, als herausragend evaluiert und für die Longlist nominiert worden. Dem Jahresausschuss oblag die Qual der Wahl, aus dieser Fülle abermals eine Auslese treffen zu müssen, wobei die repräsentative Bandbreite an Musiksorten, wie sie vom PdSK e.V. Quartal für Quartal beobachtet und bewertet wird, immer noch aufscheinen sollte. Und so finden sich unter den Jahrespreisen Neues neben Altem, eine Verdi-Oper neben einem Soul-Blues-Debut, Jazz-Poesie neben Schubert-Liedern, Trommelgesänge neben Hör-Dramen.
Als Mitjuror für die Kategorie Wort gehörte ich in diesem Jahr dem Jahresausschuss an und hatte so die Ehre, die kurze Begründung für die Auszeichnung des gewählten Werks schreiben zu dürfen.
Jewgenij Samjatins Anti-Utopie „Wir“ nahm 1920 in ihrer Vision vom gleichgeschalteten, gläsernen Menschen warnend vorweg, was nur wenige Jahre später die totalitären Systeme Nationalsozialismus und Stalinismus kennzeichnen sollte: Glücksverheißung und Führerkult, vollständige Kontrolle über den Einzelnen, die Vernichtung eines Jeden, der sich dem System widersetzt. Auch heute hat der Roman nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Was allerdings seine Bekanntheit betrifft, so stand er stets im Schatten der von ihm angeregten Dystopien „Schöne neue Welt“ und „1984“. Diese Hörspielbearbeitung bringt „Wir“ endlich eindrucksvoll zur Geltung. Garanten dafür sind die konzentrierte Bearbeitung von Ben Neumann, die effektvolle Orchestrierung der eigens für das Hörspiel komponierten Musik von Raphael D. Thöne, die Professionalität der agierenden Schauspielerinnen und Schauspieler, darunter Jana Schulz, Andreas Pietschmann und Hanns Zischler. Unter der sensibel-sicheren Regie von Christoph Kalkowski fügen sich alle Elemente der Produktion – Ton, Geräusch, Wort, Stimme – zu einem fesselnden Klangerlebnis, in dem das Werk auf beunruhigend gegenwärtige Weise kritische Wirkung entfaltet.
Jetzt gilt es, einen öffentlichen Termin zu finden, an dem die Auszeichnung in Form einer Urkunde stellvertretend für alle Beteiligten an den Hörspielbearbeiter Ben Neumann und Regisseur Christoph Kalkowski übergeben werden kann.
Dankeschön, lieber Wolfgang, für diesen Beitrag, da habe ich doch gleich mal wieder in meinem Bücherfundus gegraben, und mir mal wieder Samjatins WIR in der kleinen feinen Reihen „Manesse Bibliothek der Weltliteratur“ herausgeholt. Gleich heute noch werde ich wieder darin lesen 🙂
Liebe Herbstgrüße
vom Finbar
Liebe Grüße zurück, lieber Finbar! So soll es sein – auch ich mag diese Ausgabe sehr! Herzlich, Wolfgang
Äußerst interessant! Macht sowohl Lust auf das Buch wie auf die Hörspielfassung.
lg, buchwolf