Sola und Bannalec: Zwei sommerliche Neuerscheinungen
Nein, ich habe meine beiden letzten Frankreich-Krimis, beide als Taschenbuch erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag, nicht an den Orten ihres Geschehens gelesen – weder Yann Solas Tödlicher Tramontane an der Côte Vermeille kurz vor der Grenze zu Spanien, noch Jean-Luc Bannalecs Bretonische Flut an der äußersten Westküste der Bretagne und auf ihren vorgelagerten Inseln – ich habe sie, offen gesagt, nicht mal in Frankreich gelesen, sondern – siehe oben – an der Nordseeküste.Dem ungeachtet will ich heute kurz über meine Urlaubslektüre berichten und zwar zunächst über den zuerst gelesenen Kriminalroman, Teil 2 folgt dann (so meine anderen Arbeiten es zulassen) in einigen Tagen.
Vielleicht lag es am ausgesprochen friesich-herben Klima, das zu der Zeit meiner Lektüre an der deutschen Küste herrschte, dass ich mit Yann Solas erstem Roman um den Restaurantbesitzer und Hobbydetektiv Perez nicht recht „warm“ werden wollte. Der titelgebende Tramontane, ein zwar trockener, aber doch auch eher kalter Fallwind jedenfalls kann nicht der Grund gewesen sein, denn von ihm heißt es zwar, dass er nicht zuletzt auch in dem kleinen Fischerdorf Banyuls-sur-Mer, dem zentralen Ort des Geschehens, die Menschen nervös und unruhig mache (und damit womöglich auch zu Fehleinschätzungen verleite…), aber ja wohl kaum mich im entfernten hohen Norden.Wenn ich sodann noch konstatieren muss, dass dem Autor das Personal, das er für seine von Bauspekulationen, Gier und Korruption geprägte Geschichte ins Spiel bringt, eigentlich ganz gut gelungen ist, allem voran der dickbäuchige Genussmensch und Delikatessenhändler Perez selbst, der seine Geschäfte mit den Honoratioren des Städtchens geschickt mit einem Restaurant zu tarnen weiß, im Grunde genommen jedoch auf Art alter Schmuggler und heutiger Kleinganoven betreibt – aber auch manch weitere Akteure wie Perez´ Koch und Freund, der traumatisierte Flüchtling Haziem, oder seine im Ort ansässige deutsche Freundin Marianne und ihre spätpubertierende Tochter – so frage ich mich, woran es liegt.
Bin ich womöglich etwas ungerecht, weil ich der Meinung bin, dass es schon ausreichend französische Regionalkrimis gibt? Ich hoffe, dass nicht…
Natürlich ist meine Erwartung an eine weitere Variante in Frankreich spielender Kriminalromane dieser Art besonders hoch. Da muss einfach vieles wirklich stimmen – der Plot, die Atmosphäre, die Spannung und so weiter – und da scheint mir im vorliegenden Fall, bei aller Sympathie vor allem für die halbseidene Ermittlerfigur, nach meinem Krimi-Geschmack doch Einiges im Argen zu liegen.
Zu diffus jedenfalls ist mir das Bild um die Pläne einer Gruppe von ausländischen, bald als Schweden identifizierten Investoren geblieben, die im Verbund mit örtlichen Würdenträgern und Bauunternehmern den gemütlichen Hafen von Banyuls-sur-Mer ausbauen und somit den Ort und die weitere Umgebung in eine Touristen-Hochburg hoch boomen wollen, zu verworren und teils auch redundant scheinen mir bisweilen die Handlungsabläufe zu sein, zu unmotiviert so manche Aktionen von Personen, den bösen wie den guten, mit denen die einen ihre kriminellen Ziele durchsetzen, die anderen diese verhindern wollen. Und trotz der deutlichen Signale für Machtkämpfe und Machtmissbrauch, trotz einer explodierenden Yacht, einer offensichtlich nicht freiwillig verschwundenen Freundin Marianne und der verzweifelten Suche nach ihr, trotz eines Toten und eines Hobby-Detektivs Perez, der selber vom neuen Polizeichef des Orts unter Mordverdacht verhaftet wird – das Empfinden von Spannung blieb bei mir auf einem relativ niedrigen Niveau.
Nicht selten ist es so, dass eine besonders packende Schilderung des Ambiente, eine überzeugend vermittelte Authentizität von Ort und Region und so weiter es schaffen, mir einen derart empfundenen Mangel bis zu einem gewissen Grad auszugleichen – Yann Sola zieht hier auch einige bekannte Register, um dies herzustellen: Überwiegend sind es jedoch die vielen Namen der Straßen, die Perez mit seinem klapprigen Wagen bewältigen muss, die die nachzuempfindende Verortung an Frankreichs Mittelmeerküste gewährleisten sollen, ergänzt um einige wenige Beschreibungen der Gegend, die er in das Handlungsgeschehen integriert.
Davon hätte ich mir gerne mehr gewünscht, denn – abgesehen von der Vorstellung einer Art Straßennetz, die auf der zweiten Umschlagseite durch die bei derlei Krimis obligate Abbildung eines Landkartenausschnitts noch gestützt wird – zu einem wirklichen Mit-Atmen, Mit-Riechen, zu einem intensiveren Miterleben von Ortsgeschehen und Mittelmeer-Atmosphäre hat es bei mir dann doch nicht geführt.
Schade eigentlich – ich hätte Perez, der zentralen Figur dieses ersten Yann-Sola-Romans, gerne eine überzeugendere Geschichte – und damit auch ein besseres Urteil meinerseits – gewünscht! Aber da er als Serienheld angelegt ist, bekommen er und sein Autor ohne Zweifel eine zweite Chance. Und die sei ihnen vergönnt! Ich warte gerne darauf!
PS: Wie sich die Bretonische Flut angesichts einer Lektüre am Wattenmeer behauptet hat, wird hoffentlich bald hier zu lesen sein – als eines der kommenden „Rauchzeichen“ in den „Wortspielen“.
Hauptsache, der Urlaub war schön, Wolfgang 🙂
Liebe Grüße von der ostfriesischen Küste,
anne
Ja, war er! Und danke! Grüße zurück, liebe Anne, derzeit wieder aus Köln!