Ein Klassiker der russischen Moderne hat Geburtstag!
Begeistert hat mich dabei neben der unbestrittenen Primär-Kreativität des Schriftstellers vor allem die Sekundär-Kreativität des Übersetzers – wie es ihm gelingt, Geschehen und Sprache, Struktur, Rhythmus und Poesie der Originale auch in der Übertragung zum Flirren, zum Funkeln und zum Sprühen zu bringen, das lässt meine vorherige Unterscheidung von Kreativitäten zumindest für die deutschsprachigen Fassungen geradezu als ein wenig unfair erscheinen.
Veröffentlicht wurden die Neuübersetzungen der genannten Romane seit 2012 im Galiani Verlag. Meister und Margarita fand in der Neuübersetzung und in der Bearbeitung und Regie von Klaus Buhlert bald als 12-teiliges Hörspiel den Weg ins Radio und als CD-Edition in den Münchner Hörverlag, wo sie als solche unter anderem ausgezeichnet wurde vom „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ – Das hündische Herz, so kann man nun verkünden, ist pünktlich zum 125ten Geburtstag des Autors, heute am 15. Mai, in Lizenz noch einmal in der Edition Büchergilde erschienen und das in einer – ich bin geneigt zu sagen – faszinierenden Schmuckausgabe.
Professor Filipp Filippowitsch, eine Koryphäe der Chirurgie, nimmt einen Straßenköter bei sich auf, doch weniger aus Mitleid denn aus experimenteller Leidenschaft: Er packt den Streuner auf den OP-Tisch, tauscht dessen Hunde-Hoden gegen die eines vor wenigen Stunden gestorbenen Menschen aus und die Hirnanhangdrüse gleich dazu. Auf diese Weise erhofft er sich Erkenntnisse darüber, ob und welche Möglichkeiten es zur Verjüngung und Verwandlung des Menschen gibt. Das Experiment gelingt. Gerade einmal zwei Wochen nach der OP spricht der Hund, der bald als Mensch auf den Namen Polygraph Polygraphobitsch Lumpikow hören wird, sein erstes Wort, doch ein Prototyp des zur Entstehungszeit der Erzählung (1925) nicht nur im Sowjetreich politisch gewollten „Neuen Menschen“ wird er damit noch längst nicht. Im Gegenteil: Getreu dem Untertitel der Erzählung, „Eine fürchterliche Geschichte“, ist Lumpi tatsächlich ein wahrer Lump, bösartig und skrupellos.
Primär wohl als beißende Kritik am Bolschewismus gedacht (die Erzählung konnte daher erst 1987 in der Sowjetunion erscheinen), wendet sich „Das hündische Herz“ zeitlos gegen jegliche Ideologie, Religion und was auch immer, das sich eine „Verwandlung des Menschen“ auf die Fahne schreibt. Allein schon das macht das Buch noch heute und für alle Zeit wirklich lesenswert. Darüber hinaus jedoch ist seine Verbindung von grotesk Phantastischem und zeitkritisch Realem ein Sprachfeuerwerk der Erzählkunst, wortgewaltig und voller klanglicher Finessen. Es ist wahrlich eine Freude zu lesen, wie Alexander Nitzberg, der seiner Neuübersetzung im Übrigen ein Typoskript letzter Hand zugrunde gelegt hat, der Mehrstimmigkeit des Textes, den Satzrhythmen, den Stab- und Binnenreimen usw. nachspürt und zu Übertragungen findet, die einen glauben machen könnten, das Werk sei original in unserer Sprache geschrieben. Und dass er die Erzählung, wo angebracht, auch noch kommentiert und mit einem Nachwort versehen hat, erhöht den Genuss des Rezipienten.
So versuchte ich 2013 dem Werk gerecht zu werden und lobte dabei aus gutem Grund vor allem die Leistung des Übersetzers. Heute ist dieser eine weitere hinzuzufügen – Sie haben es zweifellos bereits bemerkt – die des Illustrators Christian Gralingen.
Es ist eine wahre Freude!
Danke für’s Auf-Die-Finger-Klopfen, das Bitte-Lesen-Zeichen. Da steht wohl was an für mich.
Freundlichst
Ihr Herr Hund
Lieber Herr Hund,
solange es nicht weh getan hat, das Klopfen, freut es mich, wenn da Einschlägiges auf Sie zu kommt!
Gute Grüße, Wolfgang Schiffer
Besten Dank für den Lesetipp und die anregende und umfassende Beschreibung!👍👍
Herzlichen Dank für die freundliche Rückmeldung – möge der Tipp munden!
Der Meister und Margerita…immer noch eines der allerbesten Bücher aller Zeiten!!
Liebe Abendgrüße
vom Lu
Pingback: Netzalmanach April/Mai 2016 | notizhefte
Das Wundervolle ist die Verbindung des Realen mit dem Fantastischen. Die Russen sind groß darin. Leider sind wir auf dem Weg zu einer Dichotomie zwischen (z.T. plattem) Realismus und Fantasy.