(Wieder)entdeckungen bei neuerlichen Streifzügen durch Prag
Der heute abgebildete Streifzug, den ich mit meiner Gattin bei unserem letzten Aufenthalt in Prag unternahm, führte uns ein weiteres Mal auf die zwischen der Moldau und dem Bach Čertovka gelegene Insel Kampa mit seinem gleichnamigen Museum – diesmal jedoch näherten wir uns dieser wunderbaren Stadtoase von dem höher gelegenen Stadion Strahov.Von dort aus gingen wir Richtung Petřin, wanderten ein wenig dessen Hänge hinab und nahmen schließlich die Petřinská lanovka, die Petřiner Seilbahn, die uns auf die Ebene des Flusses brachte, von wo es nur noch wenige Schritte in Richtung der Střelecký ostrov, der Schützeninsel waren, bis wie am Ufer standen und hier bald die schönste Wandmalerei bewundern durften.
Mein Leben war fantastisch, weil es alltäglich war …
In diesem Haus lebte und starb
der Dichter
Vladimír Holan
18.9.1905 – 31.3.1980
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Ich gestehe freimütig, dass dieser Hinweis nur schemenhaft Erinnerungen in mir weckte – der Name sagte mir zwar etwas, auch verband ich mit ihm ein längeres episches Gedicht – aber tatsächlich war mir das Werk dieses, wie ich erfuhr, von den Tschechen überaus geschätzten und verehrten Poeten, der trotz seines auch politischen Schreibens (s. auch sein Gedicht Mai 1945 in der Anthologie Niemals eine Atempause) die Zwangsherrschaft der Nazis ebenso überlebt hatte wie die darauf folgende Diktatur, unbekannt.
Ein Gedicht aus seinem früheren Werk, das ich in (ungenannter) Übersetzung fand, will ich hier anklingen lassen, stellvertretend für seine umfangreichen Arbeiten, die es für mich nun weiter zu erschließen gilt.
Die Wolke schmiedet auf dem Wasseramboß heut
Sandalen sich aus Licht, sie hat vom Stehn genug.
O Frühling, der im Hammer pocht! Den Funkenflug
siehst du im Juni erst – zu Seerosen verstreut.
Die Möglichkeit zu einem weiteren Kennenlernen von Vladimír Holans Werk ist seit nunmehr zehn Jahren glücklicher Weise allen bestens gegeben: dank des Engagements des Heidelberger Slavisten Urs Heftrich erscheinen seit dem 100. Geburtstag des Dichters in unregelmäßiger Reihenfolge einzelnen Bände einer insgesamt auf vierzehn Bände geplanten zweisprachigen Werkausgabe.
Wenn ich recht informiert bin, sind fünf dieser Bände, primär mit Lyrik und epischer Dichtung bereits erschienen – zunächst im Mutabene Verlag in Köln und nun im Universitätsverlag Winter in Heidelberg. Band 8, 2009 publiziert, enthält wohl auch jene längere Arbeit, an die ich mich erinnere. Es ist das wohl größte zusammenhängende und bekannteste Werk des Dichters, seine in 1000 Versen formulierte Abrechnung mit den Brüchen und Grausamkeiten seines Jahrhunderts: Noc s Hamletem / Nacht mit Hamlet. 1969 war dieses epische Gedicht bereits einmal in bibliophiler Aufmachung und in der Übersetzung von Reiner Kunze im Merlin Verlag erschienen – ich glaube, ich habe mir soeben eins der wenigen noch im Antiquariat existierenden Exemplare gesichert.
In Prag erfuhr die Nacht mit Hamlet, an der der Dichter während seines von 1949 bis 1963 währenden Publikationsverbots sieben Jahre lang, von 1949 bis 1956, geschrieben hat, zahlreiche szenische Lesungen, vor allem in dem heute noch existierenden Theater Viola in der zentral gelegenen Národni třída – eine Interpretation des Werks durch den Autor selbst ist in zwei Teilen vorhanden und zeugt vom Klang der Sprache und von der Kraft des Worts.
Verehrte Leserinnen und Leser, wenn ich nun, wie eigentlich vorgesehen, schreibend und weitere Fotos zeigend noch zum Kafka Museum gehe und anschließend auch noch den geplanten Abstecher in die Innenstadt mache, wird dieser Beitrag – da werden Sie / da werdet Ihr mir zustimmen – selbst für einen 1. April entschieden zu lang!
Folglich werden meine „Rauchzeichen“ aus Prag noch ein paar Folgen mehr haben, eine andere Lösung sehe ich nicht! Schluss also für heute – immerhin ist mit den Zeilen zu Vladimír Holan wenigstens das Geheimnis um den Titelvers meiner diesmaligen Prager Streifzüge etwas unterfüttert. David Černý muss halt noch ein wenig warten – obwohl er uns wieder begegnete, kaum dass wir den erwähnten Innenhof in der Gasse Cihelná erreicht hatten.
Bitte, machen Sie sich selber ein Bild!
Das war ein inspirierender und unterhaltender Streifzug durch Prag – und gar nicht zu lang! Die Nacht mit Hamlet habe ich in vollen Zügen genossen. Kein Wort verstanden aber die Musik in der Sprache befesselnd.
Danke, liebe Sigrún! Aber der Streifzug ist ja auch noch nicht zu Ende … Wenn ich es endlich einmal richtig überschaue, folgen noch zwei Teile! Ich muss nur noch die Zeit dafür finden!
Vielen Dank für die Eindrücke und Querverweise. Habe ich sehr gerne gelesen!
Freut mich! Dank für die Rückmeldung!
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