Meine Reise durch die isländische Poesie
Natürlich habe ich mich auch intensiv für den Büchertisch interessiert, den wie immer die Kölner Buchhandlung C. Roemke, die wohl bestens sortierte Fachbuchhandlung für isländische Literatur, ausgerichtet hatte – doch zumindest im Bereich der ins Deutsche übertragenen Belletristik entdeckte ich kein Buch, dass ich nicht schon gelesen (und zumeist auch bereits in meinen „Wortspielen“ vorgestellt) hätte. Dafür zu meiner Freude recht exponiert allerdings eines, an dem ich hatte mitwirken dürfen: den Gedichtzyklus Das Dorf von Jón úr Vör, im Frühjahr erschienen im Queich-Verlag.
Fündig wurde ich aber schließlich dennoch – und das in der sogenannten Wühlkiste mit isländischen Originalen. Hier entdeckte ich den Band Ljóðasafn von Ingibjörg Haraldsdóttir, die 2009 erschienene Sammlung ihrer bis dahin veröffentlichten Gedichte. Dieses Buch, das ich bereits einmal mein eigen nannte, das sich seither aber offensichtlich vor mir versteckt hält, versetzt mich nun in die Lage, Texte dieser wunderbar eigenwilligen Lyrikerin, von der ich zusammen mit meinem gestorbenen Freund Franz Gíslason seinerzeit so manches Gedicht ins Deutsche übertragen habe, in den „Wortspielen“ endlich auch in Original und Übersetzung vorstellen zu können.
Ingibjörg Haraldsdóttir wurde 1942 in Reykjavík geboren, studierte später an der staatlichen Filmschule in Moskau, welche sie 1969 mit dem Regiediplom abschloss. Danach lebte und arbeitete sie für einige Jahre in Havanna. Während ihrer Zeit in der UdSSR und Kuba arbeitete sie auch als Journalistin und Übersetzerin für die isländische Zeitung Volkswille, bei der sie nach ihrer Rückkehr nach Reykjavík im Jahre 1975 weiterhin als Journalistin und Filmkritikerin tätig war.
Seit 1981 allerdings ist sie freie Schriftstellerin und Übersetzerin. Seit ihrem ersten Gedichtband, Þangað vil ég fljúga / Dorthin will ich fliegen (1974), hat sie mehrere weitere Gedichtbände veröffentlicht und sich auch als Übersetzerin aus dem Spanischen und Russischen (u. a. von Werken Dostojewskis und Bulgakows und der Lyrik Anna Achmatowas) einen Namen gemacht. Für ihre literarische und übersetzerische Arbeit wurde sie mit verschiedenen Ehrungen bedacht, so mit dem Guðmundur-Böðvarsson-Poesiepreis und dem Isländischen Literaturpreis.
Im Original erschienen ist das heute vorgestellte Gedicht von ihr dem 1995 erschienenen Band Höfuð konnunar / Der Kopf der Frau – dank der freundschaftlichen Beziehung zu der Dichterin konnte die Übertragung allerdings bereits schon vor der Drucklegung in Island publiziert werden, und zwar im Band 181 der Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik die horen, erschienen im Frühjahr 1994.
Land
Ég segi þér ekkert um landið
ég syng engin ættjarðarljóð
um hellana, fossana, hverina
ærnar og kýrnar
um baráttu fólksins
og barning í válegum veðrumnei. En stattu við hlið mér
í myrkrinu. Andaðu djúpt
og finndu það streymaSegðu svo:
Hér á ég heimaLand
Ich erzähle dir nichts vom Land
ich singe keine Heimatlieder
über Grotten, Wasserfälle und Geysire
Schafe und Kühe
vom Kampf des Volkes
und dem Ringen bei bedrohlichen Wetternnein. Aber steh mir zur Seite
in der Dunkelheit. Atme tief
ein und spüre wie es strömtsage dann:
Hier bin ich zu Haus
Danke schön, lieber Wolfgang. Für das Gedicht und das Foto. Ihr seid ein Trio ohne Gleichen, Ingibjörg, Franz und du!
Lieben Dank, liebe Sigrún! Wie war Hallgrímurs Frau bei 1000 Grad? fragt herzlich grüßend Wolfgang
Die Theaterarbeit ausgesprochen gut. Eine makabre Geschichte – viele Leute stört es, dass Hallgrímur die Leute bei ihren richtigen Namen nennt, sie sind empfindlich, da es sich um den ersten Präsidenten der Republik und seine Nachfahren handelt und es gibt nactürlich unzählbare Verwandte – uns stört es weniger, wir haben uns auf diese umfangreiche Erzählung konzentriert und das Theatererlebnis: Eine ausgesprochene Kritik auf Krieg und Dogma und unheimliche Situationen mit welchen ein Kind, das von den Eltern verlassen wird, bewältigen muss. Und dann solche Kontraste wie: Die Frau des isl. Reichsführers (später erster Präsident der Republik) ist eine Dänin. Ihr Sohn zieht nach Deutschland und wir ein Nazi und die Nazis besetzen Dänemark.
Liebe Grüsse!
Immer wieder eine echte Augenweide, deine Beiträge zur Literatur, was Informationsgehalt, Fotos und Gestaltung angeht 🙂
Danke dafür und liebe Grüße
vom Lu
Dank zurück, ganz herzlich, für das Kompliment!
Oh, diese Gedichte immer! Man entkommt ihnen nicht.
Herzliche Grüße, Holger
stimmt! das geht mir auch so…
Meinen Dank Euch beiden, Dir, lieber Holger, und Dir, dem zustimmenden Lu! Es ermutigt mich zu weiteren poetischen Reise-Stationen!
Zeilentiger schreibt, wie es auch mir geht: „Oh, diese Gedichte immer! Man entkommt ihnen nicht.“
Es ist wie ein Zauberbann, der dem gleicht, der mich schon in meinen ersten Lesejahren gefangen nahm , als ich die „Nonni-Bücher“ meines Bruders lesen durfte.
Du hast mir die Erinnerung daran heute zurück geholt, lieber Wolfgang. Ich sehe und fühle mich wieder als kleines Mädchen auf der Bank in der Küche meiner Großmutter allein in der stillen Mitagszeit sitzen, ein Nonni-Buch auf dem Schoß, und ihn in Gedanken auf seinen Wegen begleiten, zuerst auf Island, später in Kopenhagen. Da sprach mich etwas an, was ich jetzt, nach so vielen Jahren, bei Deinen Island-Gedichten wieder erlebe, nur dass ich bislang die Verbindung nicht sehen konnte.
Wie gern hätte ich die Nonni-Bücher damals als mein Eigentum gehabt, – diesen jetzt erfüllbaren Wunsch hatte ich ganz vergessen, – und einen neu geweckten habe ich dazu bekommen.
Sollte ich mit Ingibjörg Haraldsdóttirs erstem Gedichtband beginnen? Was empfielst Du mir, Wolfgang?
Wie immer mit großem Dank und herzlichen Grüßen
Angelika
Liebe Angelika, hab Dank für Deinen kleinen Erinnerungs-Kanon; ich freue mich, dass ich ihn mit einem Gedicht von Ingbjörg Haraldsdóttir ein wenig befeuern konnte! Von ihr lesen? Da kann und will ich gar nichts raten! Das hat aus meiner Sicht alles seinen für sie typischen poetischen Atem – geprägt nicht zuletzt auch durch ihre Arbeit und Aufenthalte in anderen Ländern und gesellschaftlichen Systemen. Aber ich denke, im Kern ist es immer gut, wenn man einen Lyriker, eine Lyrikerin von den ersten Arbeiten an lesend begleiten kann – sofern die Möglichkeit dazu besteht! Es gibt allerdings keine Garantie, dass spätere Gedichte auch die besseren sind! Gute Grüße, Wolfgang
Vielen Dank für Deine Antwort.
Wer würde solch eine Garantie erwarten! So werde ich schauen, wie ich es mache. Ein Nonni-Buch von 1941 ist jetzt schon mein Eigentum. Ich bin sehr gespannt auf die Lesewiederbegegnung.
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