Dichtung von der Insel aus Feuer und Eis (30)

Meine Reise durch die isländische Poesie

Island
Wir kennen ihn schon, den Dichter, den ich heute mit einem filigranen vierteiligen Herbst-Zyklus vorstellen will – es ist wieder einmal Snorri Hjartarson; nähere Informationen über ihn und seine Veröffentlichungen in Deutschland lassen sich u.a. leicht auf meiner Reisestation Nr. 24 finden.

Der Anlass, ihn heute mit dem folgenden Gedicht zu zitieren, liegt nicht nur in der entsprechenden Jahreszeit – es ist vor allem auch meine Freude über einige Island-Fotos, die ich von einer guten Bekannten zugeschickt bekommen habe, die soeben von einem dortigen Kurzaufenthalt zurückgekehrt ist.

Ich beneide sie: die Gute war im Sommer dort, wohl zum ersten Mal, und nun hat es sie schon wieder auf die Insel gezogen – und das, so muss ich vermuten, wohl auch nicht zum letzten Mal… Aber ich weiß: der Suchtfaktor ist hoch!

Sei´s drum: ihre Fotos sind einfach gut, und ich freue mich, dass ich hier das eine oder andere davon zeigen darf.

Island

Haustmyndir

I
Lyngið er fallið
að laufi

holtin regnvot
og hlóð

kvöldskin á efsta
klifi.

II
Í jafnföllnum
haustsnjó

eldtungur

rauðra
rósa.

III
Hauströkkrið yfir mér
kvikt af vænjum

yfir auðu heiðri
í störinni við fljótið.

IV
Milli trjánna
veður tunglið í dimmu
laufi

hausttungl
haustnæturgestur
á förum

eins og við
og allt eins og laufið
sem hrynur.

Herbstbilder

I
Das Heidekraut ist gefallen
zu herbstlichem Laub

die Hügel vom Regen
nass und still

Abendlicht
am obersten Pass.

II
Im ebenen
Herbstschnee

Feuerzungen

roter
Rosen.

III
Das Herbstdunkel über mir
voll Flügelschlag

überm leeren Nest
im Riedgras am Fluss.

IV
Zwischen den Baäumen
watet der Mond im dunklen
Laub

Herbstmond
nächtlicher Herbstgast
im Aufbruch

wie wir
und alles wie das Laub
das fällt.

Alle Fotos auf dieser Seite: Lorena Zils

Alle Fotos auf dieser Seite: Lorena Zils

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Über Wolfgang Schiffer

Literatur (und alles, was ihr nahe ist) ist m. E. eines unserer wichtigsten Nahrungsmittel. Also zehre ich von ihr und versuche, sie zugleich zu nähren: als Autor, als Übersetzer, als Vermittler und nicht zuletzt als Hörer und Leser.
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10 Antworten zu Dichtung von der Insel aus Feuer und Eis (30)

  1. wederwill schreibt:

    wunderschöne Bilder und wunderschöne Worte!
    Danke.

  2. Angelika Schramm schreibt:

    Ich kann Herrn Wederwill nur zustimmen. Die Übertragung ins Deutsche ist sicher Poesie für sich, – so kommt es mir vor, danke, lieber Wolfgang. Schade, dass ich das Isländische nur erahnen kann. laufi, klifi, eldtungur raudra rósa, – da scheint mir das geliebte Hildebrandslied nicht weit zu sein. Vielleicht traue ich mich …

    • schifferw schreibt:

      Hab Dank für Deine Anmerkung zur Übertragung, liebe Hildegard – ich freue mich, dass es so gelesen wird. Und ja, die gemeinsame Wurzel in der Sprache ist nicht zu leugnen… Also, nichts wie los mit dem sich trauen!

  3. herbstblatt101 schreibt:

    Danke dass du mich auf deine Reise durch die isländische Poesie mitgenommen hast. Das Gedicht, ebenso die Landschaftsaufnahmen sind wunderschön. Meine Cousine war vor mehreren Jahren auf einer Polarlichtreise in Island. Auch ihre Fotoaufnahmen wahren von atemberaubender Schönheit. Man möchte sich gerne hinträumen.

  4. Angelika Schramm schreibt:

    Hildegard ist auch hübsch, lieber Wolfgang! 🙂

    • schifferw schreibt:

      Verzeih, liebe Angelika – offensichtlich habe ich mich unter Nikotinentzug vom Hildebrandlied zu einer falschen Anrede verleiten lassen! Danke für Dein „hübsches“ Verständnis!

  5. zeilentiger schreibt:

    „Abendlicht
    am obersten Pass.“

    Das ist so gut, da zieht sich erst etwas ganz tief unten zusammen, steigt dann nach oben, öffnet weit die Brust und lässt schließlich den Kopf kurz schwindeln wie der Ausläufer eines Bebens.

Kommentare sind geschlossen.