Liebesgedichte der Gegenwart
Das vorläufig letzte Liebesgedicht
Gedanken wie Photographien,
fixiert, als gäbe es keine Zeit.
Und mir steinschwer und
die Leichtigkeit des Vergleichs
ist mir schwerer gefallen als
mein Herz dich glauben machen will.Ich kann nur an dich denken,
wie ich dich sehe, eingefroren
in Bewegungen Lachen,
einmal im Anschnitt vielleicht
mein Knie,
auf das du deine Hand nie mehr
Nein, um dieses Gedicht geht es vorrangig nicht, auch wenn ich mich als dessen Urheber natürlich freuen würde, wenn es eine Leserin, einen Leser anspräche… Und auch wenn ich an dieser Stelle sogar noch ein weiteres aus meiner lyrischen Arbeit einfügen könnte – sie blieben doch immer nur zwei von annähernd 300, die in einer soeben erschienenen Anthologie von der Liebe erzählen!
Nichts ist versprochen heißt diese Anthologie, erschienen ist sie im Verlag Reclam in der Herausgeberschaft von Hiltrud Gnüg. Gänzlich neu ist sie eigentlich nicht, die Erstausgabe erschien bereits 1989, doch die Germanistikprofessorin mit dem (u.v.a.) Forschungsschwerpunkt Lyrik legt nunmehr eine Neuausgabe vor, die gründlich aktualisiert ist und selbst jüngst veröffentlichte Gedichtbände für die Auswahl der Texte heranzieht.
In ihrem Nachwort, das beinahe schon einer Theorie des Liebesgedichts im Allgemeinen und der diesbezüglichen deutschsprachigen Dichtkunst in den letzten Jahrzehnten, vor und nach dem Mauerfall, gleichkommt, beschreibt sie, wie und unter welchen Gesichtspunkten sie ihre Gedicht-Funde geordnet hat:
Die Anthologie gliedert sich in acht Teile, nach Hinsichten, die sich aus dem Textmaterial selbst ergeben haben, nicht etwa nach Leithinsichten, die die Selektion der Gedichte vorab bestimmen. Die Motti drücken besser als etikettierende Begriffe den jeweiligen Aspekt aus; dennoch seien die Etiketten genannt: Liebe; Erotischer Moment; Partnerschaft und Emanzipation; Ehe; Liebe und Vergänglichkeit; Liebe und Gesellschaft; Schwierige Beziehungen; Träume.
Und an anderer Stelle heißt es:
Eigentlich würde man vermuten, dass die fortschreitende Emanzipation der Frau, die Auflösung des Rollendualismus, der die Frau ins traute Heim verbannte, ihre Bildungsmöglichkeiten beschränkte und dem Mann allein die Bürde der Existenzsicherung, aber auch der gesellschaftlichen Repräsentanz zuwies, eine harmonische Liebesbeziehung förderten; das Gegenteil jedoch scheint der Fall zu sein, nimmt man die deutschsprachige Lyrik als Dokument für die Liebes-Erfahrung dieser Zeit.
Gedichte von Ingeborg Bachmann, Jürgen Becker, Marcel Beyer, Ulrike Draesner, Durs Grünbein, Ulla Hahn, Thomas Kling, Ursula Krechel, Michael Krüger, Friederike Roth, Clemens J. Setz, Ron Winkler und vielen, vielen anderen ermöglichen es dem Leser, sich selbst und seine Erfahrungen in Beziehung zu setzen zu dieser Feststellung, die zumindest eins belegt: für viele scheint die Liebe heute eine äußerst komplizierte und fragile Angelegenheit geworden zu sein.
Mögen Sie mit dennoch – oder gerade deswegen – mit Gewinn aus der Lektüre hervorgehen!
Das ist ja eine besonders schöne Mitteilung, lieber Wolfgang, danke! „Das vorläufig letzte Liebesgedicht“ gefällt mir sehr. Das „vorläufig“ könnte ja, meine ich, auch vielleicht auf ein „dennoch“ hinweisen, welches auf jeden Fall für mich zur Liebe und den Erfahrungen, die man damit macht, gehört.
Danke, liebe Angelika! Das „dennoch“ trifft natürlich zu! Gute Grüße, Wolfgang