Island in Schwarzweiß

Der Schweizer Marco Paoluzzo und sein neuer Fotoband

Dyrhólaey © Wolfgang Schiffer

Dyrhólaey © Wolfgang Schiffer

Iceland – my zen garden and other stories, so ist sein Titel, erschienen ist er in der Till Schaap Edition in der Schweiz, und als ich (ich glaube, es war über ZEIT Online) zwei, drei Fotografien aus ihm gesehen hatte, war meine sofortige Reaktion: „Diesen Band muss ich haben!“

Und jetzt liegt er vor mir; die Agentur Gisela Graf Communications hat ihn mir dankenswerterweise zugeschickt, und ich blättere darin, zunächst recht zügig, dann mit sich stetig mehr fokussierendem Auge, das sich nach der Wahrnehmung eines Gesamtmotivs den Details desselben zuwendet, um diese wiederum zu dem Ganzen zusammenzufügen.

my zen gardenNun, nicht wenige dieser Motive (oder besser gesagt, die Orte, Landschaften, denen sie „abgeschaut“ wurden) sind mir aus eigener Anschauung bekannt – allein mit Blick auf das Cover des Buches mag dies der obige Foto-Balken, der (im Vergleich kann ich vor Scham nur erröten) ebenfalls Dyrhólaey zeigt, schon belegen – und es ist durchaus auch nicht so, als hätte ich nicht bereits eine Vielzahl anderer Bildbände professioneller Fotografen zu Island in meinem Regalen stehen – doch befindet sich darunter kaum einer, dessen Arbeiten mich derart ansprechen, wie es Marco Paoluzzo mit seinen Schwarzweiß-Abbildungen gelingt. Dabei ist es – anders als der eigene Blick und die meisten bislang gesehenen Bildbände – gerade die von Marco Paoluzzo im vorliegenden Band (bei Island-Fotos so selten) angewandte Schwarzweiß-Technik, die dieses Faszinosum auslöst.

Jökúlsárlón- 2005

Jökulsárlón- 2005

Anders als bislang nehmen mich hier nicht oftmals explodierende Farben gefangen und lassen mich die Schönheit der Insel sehen – nein, es ist allein die Magie von Licht und Schatten, die mich fesselt, der hierauf klar gerichtete Blick des Fotografen und der richtige Augenblick des Auslösens, der ein oftmals dramatischen Zusammenspiel aller Abstufungen im Spektrum von Schwarz und Weiß zu zeigen weiß.

Dyrhólaey - 2013

Dyrhólaey – 2013

Ob die kristalline Struktur von Eis, das Fleckenspiel auf nassen, schwarzen Stränden, das Nebel-Flirren der Wasserfälle – all dies verweist mich dabei auf etwas, das hinter der Aufnahme liegt: das Archaische der Natur. Natürlich zeigen sich (in den als other stories bezeichneten Bildern) auch menschliches Eingreifen und die Menschen selbst, aber sie lassen sich eher erahnen als sehen – es überwiegt (auch wenn wir aus der jüngsten Entwicklung Islands wissen, dass er bisweilen täuscht) der Eindruck der Widerständigkeit, des Trotzes, der Unberührbarkeit.

Stykkishólmur - 2003

Stykkishólmur – 2003

In seinem in deutscher, englischer und französischer Sprache abgefassten Vorwort, in dem der 1949 geborene und weltweit renommierte Fotograf Marco Paoluzzo auch Auskunft über seine Aufnahmetechniken und die Komposition dieses Bandes aus Fotografien von etwa zwanzig Island-Reisen gibt, beschreibt er sein eigenes Empfinden wie folgt:

Island ist mein geheimer Garten, mein Zen-Garten, der mich zum Meditieren und zugleich zum Träumen einlädt. Diese Augenblicke des Entzückens lassen Bilder einer unberührten Welt aufscheinen, das Bild einer uralten Landschaft und einer Traumnatur aus der Frühzeit der Menschheit. (…) Es war, als ob sich an diesen Grenzorten der Welt ein Fenster auf dieses zeitlose Universum hin öffnete, eine ferne Realität in Europa, die beim Verlassen der Insel schwindet und verblasst.

Letzteres ist durch den vorliegenden Fotoband, dem ich viele aufmerksame Betrachter wünsche, etwas gemildert: Marco Paoluzzos erstaunliche Fotografien halten die Erinnerung an dieses Sich-Öffnen fest. Die Snap-Shots, die ich von einigen Seiten des Bandes gemacht und in meinen Beitrag eingestellt habe, mögen hiervon einen ersten Eindruck geben. Sie entsprechen natürlich bei weitem nicht der Qualität der Originale – und doch, so denke ich, zeigen sie bereits etwas von der großen träumerischen Kraft, die diesen Fotografien innewohnt.

Zum Schluss: Wer nun noch, wie sonst in vielen meiner Beiträge zu Island üblich, als „Zugabe“ ein Gedicht isländischer Provenienz erhofft, den muss ich heute enttäuschen. Iceland – my zen garden and other stories ist „Gedicht“ genug!

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Über Wolfgang Schiffer

Literatur (und alles, was ihr nahe ist) ist m. E. eines unserer wichtigsten Nahrungsmittel. Also zehre ich von ihr und versuche, sie zugleich zu nähren: als Autor, als Übersetzer, als Vermittler und nicht zuletzt als Hörer und Leser.
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15 Antworten zu Island in Schwarzweiß

  1. Maren Wulf schreibt:

    Traumschön, diese Bilder und dann auch noch derart Sehnsucht-auslösend präsentiert… herzlichen Dank!

    • schifferw schreibt:

      Es war mir ein Vergnügen, auf diesen schönen und guten Fotoband aufmerksam zu machen!

  2. Angelika Schramm schreibt:

    Starke Bilder für starke Betrachter.
    Kann man Island überhaupt standhalten, wenn man schwach ist?
    Oder wird dort auch der Schwache stark?

    • schifferw schreibt:

      Ich kann es nicht beantworten! Da hilft wohl nur: sich darauf einlassen, ausprobieren! Eine gute Erfahrung wird es in jedem Fall…

  3. regina wyrwoll schreibt:

    lieber wolfgang, das ist ein superband, weiß gott!
    angefeuert durch deine treue zu den atomdichtern habe ich mich auf die suche gemacht und bin auf einen singenden Atomdichter gestoßen:
    „Du bist ein Traum, doch etwas fett,
    du bist die Tugend, doch ziemlich nett,
    du bist die Unschuld und vom Land,
    dem schlimmsten Verbrechen eng verwandt.
    – Und ich hasse dich so gut wie gar nicht,
    das letzte Mal soll wie das erste Mal sein,
    ich breche aus zu dir, ich breche ein
    durch Atom und Sonne, Erde, Mondschein.
    Während des Nachspiels greift er zurfällig in seine Tasche, und es war, als hätte er Eier in den Taschen gehabt und sie wären zerbrochen und er würde ganz glitschig an den Händen, war das Schaupielkunst? Tatsache war, dass er anfängt, eine Menge von Geldscheinen aus seinen Taschen zu ziehen, einen Stoß Banknoten nach dem anderen, Zehner, Fünfziger, Hunderter, er verfällt plötzlich der Raserei und fängt an, die Geldscheine auseinanderzureißen, knüllt Schnipsel zusammen, wirft sie auf den Boden und trampelt darauf herum, wie wenn man Ungezieger totmacht; dann setzt er sich hin und raucht eine Zigarette.“
    irgendwie erinnert mich das an nam june paik, als er in wuppertal das klavier zertrümmerte…
    viele grüße
    regina

    • schifferw schreibt:

      Liebe Regina, die Assoziation mit Nam June Paiks Klavierzertrümmerung mag sich durchaus einstellen, wenn man diesen Text liest – aber ist er wirklich von einem der Atomdichter Islands? Ich würde mir diese Kenntnislücke ja nie verzeihen können!
      Vielleicht hilfst Du mir der Nennung der Quelle auf die besagten Sprünge…?
      Liebe Grüße, Wolfgang

  4. regina wyrwoll schreibt:

    ich bin beim nobelpreisträger fündig geworden, atomstation – und ich frage mich, da eine kleine gruppe „atomdichter“ einschließlich eines cadillac den roman bevölkert, ob er sich über sie lustig gemacht hat?
    grüße
    regina

    • schifferw schreibt:

      Ja, natürlich – da steht es! Und natürlich macht sich Laxness in diesem Roman (trotz eigener früherer Form-Experimente) mit der Figur des (fiktiven) Benjamin und dessen Umfeld auch ein wenig lustig über die bereits publizierenden „echten“ Atomdichter… Mehr noch: er hat den Begriff „Atomdichter“, der schnell zum Schmähwort für die Modernisten wurde, sogar eingeführt! Sie haben ihm allerdings vergeben! Was ich durchaus verstehe,angesichts dieses wunderbaren Romans! Gruß, herzlich, Wolfgang

  5. valentino schreibt:

    Ich mag die Fotografien sehr und auch das lyrische Bild von der Insel als Garten.

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