Eine Lyrikanthologie wider den schlechten Ruf…
Ja, es stimmt – seit den einst weisen Raben Hugin und Munin des Göttervaters Odin über den Raben als Vogel Apolls, zu dessen Zeit noch im weißen Federkleid, bis hin zum Galgenvogel eines François Villon: seit längerem schon ist es um das Ansehen der Schwarzgefiederten nicht sehr gut bestellt.Für vieles müssen sie herhalten – gelten sie doch als Überbringer schlechter Botschaften, stehen für Verzweiflung und Schwermut, für Tod und Trauer. Und wenn man ihnen gelegentlich auch die Befähigung zuschreibt, dank ihrer ausgeprägten Intelligenz gar in die Zukunft sehen zu können, so rechnet man heutzutage zumeist doch nur mit Weissagungen von Unheil bringender Natur.
Die Literatur ist voller Beispiele solcher Zuschreibungen – und nirgends mehr als im Gedicht!
Es ist Bernd Philippis Verdienst als Herausgeber einer kleinen Anthologie, uns dies deutlich vor Augen zu führen. Rabenvögel, so der Titel der im Herbst 2013 im Conte Verlag erschienenen Auswahl, versammelt mehr als fünfzig vornehmlich deutschsprachige Gedichte zum Thema – und im Zentrum steht das Rabengedicht schlechthin: Edgar Allen Poes Der Rabe mit seinem unausweichlichen nevermore / nimmermehr.
Mit Texten von Hermann Adler über Rose Ausländer, Jürgen Becker, Gottfried Benn, Peter Huchel und vielen anderen bis hin zu Poemen von Lyrikern wie Friedrich Rückert oder Georg Trakl zeigt diese Anthologie auf schöne Weise, mit welch vielfältiger Symbolkraft der Rabe und seine engeren Anverwandten im Wechsel der Zeiten belegt waren und nicht zuletzt auch zu einer starken Metapher für Befindlichkeitszustände des „Lyrischen Ichs“ wurden.
In Erinnerung an die im Mai letzten Jahres gestorbene große Lyrikerin Sarah Kirsch sei aus der Anthologie eins ihrer Gedichte hier zitiert:
Schneelied
Um den Berg um den Berg
fliegen sieben Raben
das werden meine Brüder sein
die sich verwandelt habenSie waren so aufs Essen versessen
sie haben ihre Schwestern vergessen
sie flogen weg die Goldkuh schlachten
ach wie sie lachtenEh sie zur Sonne gekommen sind
waren sie blind
Mein Haus ich blas die Lichter aus
bevor ich schlafen geh
kann ich die schwarzen Federn sehn
im weißen gefrorenen Schnee
Illustriert mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen hat den Band stimmungsvoll Catrin Raber (welch ein schöner Zufall…), und der Herausgeber hat ihm anstelle eines Nachwortes auch noch ein Gespräch mit einem Raben beigefügt: witzig und lehrreich zugleich.
Ich habe gerne in Rabenvögel geblättert und gelesen!
Vielen Dank für diesen interessanten Lyriktipp. Noch einen schönen Sonntag!
Gern geschehen! Und Dank zurück fürs „gefällt“!
DANKE sehr für en LYRIKtip…….HERZlichst und einen schönen SonnTAG–NachMITTAG gewünscht—–ANDREA))
Danke! Und ich wünsche einen schönen Sonntagabend!
Schön, dass der Rabe endlich ins rechte Licht gerückt wird…Buch beim Buchhändler schon per email bestellt, ich hoffe, es flattert mir bald zu…
Ich wünsche eine gute Landung! Und hoffe, es gefällt…
Pingback: Dichtung von der Insel aus Feuer und Eis (15) | Wortspiele: Ein literarischer Blog