Meine Reise durch die isländische Poesie
Linda Vilhjálmsdóttir, die Autorin des heutigen Gedichts, zählt zu den bedeutendsten Lyrikerinnen ihres Landes. Die 1958 geborene Kranken- und Gesundheitspflegerin lebt in Reykjavík, der Hauptstadt Islands. Nach ersten Publikationen in Zeitungen und Literaturzeitschriften veröffentlichte sie 1990 mit „Bláþráður / Blaufaden“ ihren ersten Gedichtband. Zwei Jahre später bereits erschien die Sammlung „Klakabörnin / Eiskinder“, für die sie mit dem Kulturpreis der Tageszeitung DV ausgezeichnet wurde. Ihre beiden letzten Gedichtbände, „Frostfiðrildin / Frostschmetterlinge“ und „Öll fallegu orðin / Alle schönen Worte“ wurden in der Übersetzung von Tina Flecken 2011 in einer gemeinsamen Ausgabe im Buchkunstverlag Kleinheinrich publiziert; Bernd Koberling hat für diese deutschsprachige Ausgabe wiederum Aquarelle geschaffen, die mit dem Lesen der Gedichte in Island entstanden sind.Das heutige Gedicht, ein Beispiel für den in der klaren und leidenschaftlichen Lyrik Linda Vilhjálmsdóttirs häufig aufscheinenden poetischen Ansatz, sich selbst mit der Natur in Beziehung zu setzen, ist dem 1992 erschienenen Band „Ich hörte die Farbe Blau“ aus der seinerzeit in der „edition die horen“ erscheinenden Reihe „Poesie der Nachbarn“ entnommen. Die Nachdichtung ist – auf der Basis einer Interlinearversion des Textes durch Franz Gíslason – von dem deutschen Lyriker Johann P. Tammen.
Skýt upp kolli
í selsauga
meyjarleg
meðal fljótandi ísjaka
sem sumir eru eins og hvítur galdur
en sumir hvít lygi
og þar iðar af fugli
svo sýnist hvítsaumur
og sýngur í sífellu úk
allt um kríng þrumur
og vatnið svo blátt
að helst væri aðal-blátt
eða skærasta ósk
um nærveru sálar.
Am Gletschersee
Erkenne mich
im Seehundsauge
jungfräulich
unter treibenden Eisbergen
einige blenden: weiße Magie
einige wie weiße Lügen
wimmelnd heften Seevögel eine weiße Naht
auf die Buckel des Eises und
scheppern ihr endloses Uuk-Uuk
rundum Donner
und das Wasser so blau
beinahe königsblau
oder der heftige Wunsch
nach der Nähe einer Seele
Mit dem heutigen Gedicht verabschiede ich mich zugleich für einige Zeit aus meinem Blog. Die Reise, auf der ich wohl kaum online sein werde, geht nach Island. Natürlich hoffe ich, neben vielen anderen auch Linda dort zu treffen, allerdings von Gletscherläufen oder gar „fremden Truppen“, wie Jón Óskar sie noch erfahren musste, verschont zu bleiben. Letzteres ist wahrscheinlicher, denn die Amerikaner haben ihre Militärbasis in Keflavík 2006 geräumt.
Hat dies auf Ich sag mal rebloggt.
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