Michail Bulgakows „Das hündische Herz“ in neuer Übersetzung
Professor Filipp Filippowitsch Preobraschenski, eine Koryphäe der Chirurgie, nimmt einen Straßenköter bei sich auf, doch weniger aus Mitleid denn aus experimenteller Leidenschaft: Er packt den Streuner auf den OP-Tisch, tauscht dessen Hunde-Hoden gegen die eines vor wenigen Stunden gestorbenen Menschen aus und die Hirnanhangdrüse gleich dazu. Auf diese Weise erhofft er sich Erkenntnisse darüber, ob und welche Möglichkeiten es zur Verjüngung und Verwandlung des Menschen gibt. Das Experiment gelingt. Gerade einmal zwei Wochen nach der OP spricht der Hund, der bald als Mensch auf den Namen Polygraph Polygraphobitsch Lumpikow hören wird, sein erstes Wort, doch ein Prototyp des zur Entstehungszeit der Erzählung (1925) nicht nur im Sowjetreich politisch gewollten „Neuen Menschen“ wird er damit noch längst nicht. Im Gegenteil: Getreu dem Untertitel der Erzählung, „Eine fürchterliche Geschichte“, ist Lumpi tatsächlich ein wahrer Lump, bösartig und skrupellos.
Primär wohl als beißende Kritik am Bolschewismus gedacht (die Erzählung konnte daher erst 1987 in der Sowjetunion erscheinen), wendet sich „Das hündische Herz“ zeitlos gegen jegliche Ideologie, Religion und was auch immer, das sich eine „Verwandlung des Menschen“ auf die Fahne schreibt. Allein schon das macht das Buch noch heute und für alle Zeit wirklich lesenswert. Darüber hinaus jedoch ist seine Verbindung von grotesk Phantastischem und zeitkritisch Realem ein Sprachfeuerwerk der Erzählkunst, wortgewaltig und voller klanglicher Finessen. Es ist wahrlich eine Freude zu lesen, wie Alexander Nitzberg, der seiner Neuübersetzung im Übrigen ein Typoskript letzter Hand zugrunde gelegt hat, der Mehrstimmigkeit des Textes, den Satzrhythmen, den Stab- und Binnenreimen usw. nachspürt und zu Übertragungen findet, die einen glauben machen könnten, das Werk sei original in unserer Sprache geschrieben. Und dass er die Erzählung, wo angebracht, auch noch kommentiert und mit einem Nachwort versehen hat, erhöht den Genuss des Rezipienten.
Abschließend will ich gerne noch auf ein Buch der 2002 gestorbenen Literaturhistorikerin Elsbeth Wolffheim über Michail Bulgakow bei rororo hinweisen; meine eigene Lektüre liegt allerdings bereits einige Jahre zurück, so dass es durchaus sein kann, dass diese Monographie nur noch antiquarisch zu beziehen ist.
Es ist grandios, was Nitzberg da mit Bulgakow macht. Kann man ihn bitte überreden, auch „Die verhängnisvollen Eier“ neu zu machen? Bitte bitte!
Lieber Ulli, die Anfrage ist bereits auf dem Weg zu Alexander Nitzberg. LG W.
Hat dies auf Ich sag mal rebloggt.
Antiquarisch ist es kein Problem, die Monographie zu beziehen: http://www.amazon.de/gp/offer-listing/3499505266/ref=dp_olp_all_mbc?ie=UTF8&condition=all
Pingback: Die verfluchten Eier | Wortspiele: Ein literarischer Blog